Angebot an Ostsee-Immobilien steigt wieder
Fast 1.000 Kilometer Ostseeküste gehören zu Deutschland. Welche davon zählen zu den Toplagen? Wo lassen sich Ferienimmobilien am besten vermieten? Eine Übersicht der beliebtesten Badeorte von Flensburg bis Usedom
Ein Jahr lang lief bei Immobilien an der deutschen Ostseeküste vielerorts fast nichts mehr. Makler beschreiben die Situation als „Flaute nach dem Sturm“, „Schockstarre“ oder auch „Katerstimmung“.
Von „absolut heiß“ auf „ziemlich kühl“, vom Verkäufer- zum Käufermarkt – warum drehte sich das Immobiliengeschäft binnen weniger Monate um 180 Grad? Um das zu verstehen, hilft ein Blick zurück. Im vergangenen Jahrzehnt hatten sich die Preise für Ferienhäuser und -wohnungen auch an der Ostseeküste mindestens verdoppelt. Immer günstiger werdende Zinsen sorgten für eine nie dagewesene Nachfrage. Das Ostsee-Domizil wurde zum Objekt der Begierde. Zum Vermieten, zur Eigennutzung, als Wertanlage, für später. Gern auch alles zusammen. Wenn Objekte auf den Markt kamen, fanden sie meist reißenden Absatz, wurden eher „verteilt“ als verkauft. Es kam sogar vor, dass sich Interessenten gegenseitig überboten.
Corona warf dann zusätzlich einen Turbo an, befeuerte den Markt noch einmal richtig. In Immobilienkreisen wird die Pandemie auch gerne als „Brandbeschleuniger"“ bezeichnet. Die zeitgemäßen Argumente von „damals“ leuchten ein: Die Ostsee ist mit dem Auto erreichbar, in einem Ferienhaus herrscht viel geringere Ansteckungsgefahr als im Flugzeug, im Hotel oder auf einem Kreuzfahrtschiff, besonders Städter sahen in einem Kleinod an der See den idealen Zufluchtsort für den nächsten Lockdown. Weg aus der bedrohlichen Enge der Stadt, hin zur frischen Brise am Meer.
Das Ende des Booms
Anfang 2022 kippte dann die Stimmung. Krieg in der Ukraine, dramatisch steigende Kosten für Zinsen, Energie und Lebenshaltung, Inflation, das vorläufige Ende von Corona und die damit auch wieder erstarkte Konkurrenz anderer, vor allem südlicher Feriendestinationen.
Zu allem Überfluss sorgte dann ab Herbst noch die Heizungsdebatte der Bundesregierung für allgemeine Verunsicherung. Extrakosten beim Erwerb von Bestandsimmobilien in Höhe von 150.000 Euro und mehr geisterten durch die Medien. Das führte sogar dazu, das die bislang eigentlich positiv besetzte Gasheizung für einige potentielle Käufer zum K.-o.-Kriterium mutierte. Die Nachfrage nach Immobilien sank drastisch, brach mancherorts sogar komplett ein.
Aber der Traum von den eigenen vier Wänden steht bei vielen auf der Wunschliste des Lebens so weit oben, dass er nicht einfach so aufgehoben, sondern allenfalls aufgeschoben wird. Seit dem Sommer wird an der Ostsee wieder zunehmendes Interesse registriert. Kunden sind dabei, sich mit dem neuen Zinsniveau zu arrangieren. Verkäufer haben eingesehen, dass die Zeiten der Phantasiepreise fürs erste passé sind. Makler besinnen sich wieder auf ihre Tugenden Marktkenntnis und Verhandlungsgeschick. Es ist viel von „Normalisierung“ die Rede. Die tut dem Markt auch gut nach der Achterbahnfahrt der letzten Jahre.
Generell gilt: Potentielle Käufer haben wieder mehr Auswahl, mehr Zeit für die Entscheidung und die Möglichkeit, über den Preis zu verhandeln. Verkäufer mit realistischen und marktgerechten Vorstellungen haben wieder Chancen, einen Käufer zu finden. Auch wenn es vielleicht etwas länger dauert. Wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, ist eine attraktive Ferienimmobilie entlang der Ostsee nach wie vor eine gute und solide Geldanlage.
Toplagen in Schleswig-Holstein
Über die Länge des deutschen Teils der Ostseeküste kursieren verschiedene Angaben – je nachdem, wie gezählt wird. Sie reichen von 964 Küstenkilometern (ohne Inseln und Schlei) bis zu 2.247 Kilometern (inklusive Flussmündungen, Schlei und Bodden rund um die Inseln). Welche sind die begehrtesten Lagen und beliebtesten Orte entlang der Ostsee?
Beginnen wir in Schleswig-Holstein. Zu den Toplagen des nördlichsten Bundeslandes zählen die Klassiker an der Lübecker Bucht, allen voran das schicke Timmendorfer Strand, das vor gut fünfzehn Jahren durch eine moderne Promenade aus seinem Dornröschenschlaf erweckte Scharbeutz und das zu Lübeck gehörende Travemünde, das sich durch zahlreiche neue Projekte und Veranstaltungen von seinem Image als Rentnerparadies verabschieden konnte.
Als Geheimtipp der Region gilt ein kleiner Teil von Sierksdorf. Bekannt ist Sierksdorf eigentlich durch den großen Freizeitpark und Betonbauten aus den 70er-Jahren, aber es gibt auch ein paar Straßen mit Traumvillen und Zugang zu einem sehr schönen, nach Südosten ausgerichteten Strand. Wenn hier Immobilien auf den Markt kommen, dann zu sehr hohen Preisen. Das gleiche gilt für Graswarder, eine Halbinsel vor Heiligenhafen. Hier stehen direkt am Strand ein Dutzend entzückender Reetdachhäuser, die leider eher vererbt als verkauft werden. Reizvolle Strandlagen finden sich auch in Laboe am breiten Strand der Kieler Förde und zwischen Flensburg und Glücksburg an der Flensburger Förde mit Blick auf das dänische Ufer gegenüber.
Einen wahren Boom erlebt seit einigen Jahren die Schlei. Besonders bei Hamburgern ist diese ländliche Region mit ihren Reetdachkaten und Herrenhäusern beliebt.
Gut vermietbare Ferienhäuser im skandinavischen Stil finden sich unter anderem im herausgeputzten Heiligenhafen, in den Urlaubssiedlungen Brasilien und Kalifornien oder an der Schleimündung auf dem riesigen Areal des ehemaligen Militärstützpunktes Olpenitz, in dem über 1.100 Einheiten entstanden.
Toplagen in Mecklenburg-Vorpommern
Die Badeorte Mecklenburg-Vorpommerns haben gegenüber denen in Schleswig-Holstein den Vorteil, dass sie mehr und auch schönere Strände aufweisen und das die Bauwut der 70er-Jahre – abgesehen von Plattenbauten – an ihnen vorübergegangen ist. So blieb viel mehr vom ursprünglichen Charme und der tradtionellen Bäderarchitektur der Kaiserzeit erhalten und konnte nach der Wende wiederbelebt werden. Zu den Highlights auf dem Festland zählt neben dem lebhaften Warnemünde und dem familiären Boltenhagen das Seebad Kühlungsborn, das jährlich von einer halben Million Gästen besucht wird und mit seiner Fülle an historischen Gebäuden sowie einer 3.150 Meter langen Strandpromenade beeindruckt. Und natürlich das feudale Heiligendamm, 1793 gegründet und somit ältester Seebadeort des europäischen Kontinents. Für die Villen der „Weißen Stadt am Meer“ werden Quadratmeterpreise von 20.000 Euro und mehr aufgerufen.
Drei Inseln und eine Halbinsel zählen zu den Toplagen Mecklenburg-Vorpommerns. Besonders begehrt auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst sind Immobilien in Zingst und in Ahrenshoop. Seit sich Ende des 19. Jahrhunderts hier einige Maler ansiedelten, gilt Ahrenshoop als Künstlerkolonie und zelebriert dieses Image bis heute erfolgreich. Unter zwei Millionen Euro kommt kaum ein Haus auf den Markt.
Rügen ist Deutschlands größte Insel und mit bis zu 1,3 Millionen Besuchern pro Jahr auch die beliebteste Ferieninsel des Landes. Das touristische Epizentrum liegt im Osten. Hier finden sich die bekannten Orte Binz, Sellin, Baabe und Göhren mit ihrer Bäderarchitektur sowie die Halbinsel Mönchgut. Auch Rügens Norden mit seinen endlosen Stränden ist sehr reizvoll.
Nordwestlich von Rügen liegt ein autofreies Idyll, die Insel Hiddensee. Ähnlich wie in Graswarder kommen hier allerdings so gut wie nie Immobilien auf den Markt.
Östlichste Etappe unserer Tour d’Ostsee ist Usedom. Die zweitgrößte Insel Deutschlands nennt sich auch selbst gern die „Sonneninsel“. Zu den rekordverdächtigen 1.900 Stunden Sonnenschein pro Jahr gibt es den passenden Strand: Über 42 Kilometer erstreckt sich der bis zu 70 Meter breite, feine Sandstrand von Peene bis nach Swinemünde. Highlights sind die drei ineinander übergehenden Kaiserbäder im Osten der Insel: Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck. Schon seit 1850 kommen die Sommerfrischler nach Usedom, die Küste galt früher als „Badewanne Berlins“, 200 Kilometer sind es von hier bis zur Hauptstadt.
BEL 06/23