Inselpaar der Superlative
In der jährlichen Sonnenstundenstatistik sind Rügen und Usedom traditionell deutsche Meister. Im Immobilienmarkt haben beide zuletzt jedoch Schatten gesehen. Geht es wieder aufwärts?
Diesen Ort kennen all die Hunderttausenden, die in diesem Jahr, zum 250. Geburtstag des Künstlers, eine der großen Caspar-David-Friedrich-Ausstellungen gesehen haben oder sehen werden, in Hamburg, Berlin, Dresden oder Greifswald: Seine „Kreidefelsen auf Rügen“ dürften das berühmteste Landschaftsgemälde der deutschen Kunstgeschichte sein. Den Ort, den es zeigt, zu besuchen, ist also für alle, die nach Rügen kommen, quasi Pflicht. Zwar sind die spitzen Felsnadeln, die Friedrich anno 1818 noch malen konnte, mittlerweile arg erodiert: Immer wieder brechen am berühmten Königsstuhl Felsbrocken ab, wie auch im weiteren Verlauf der Küste in Richtung Lohme und Glowe. Und doch bleibt der Besuch ein bewegendes Landschaftserlebnis – nicht zuletzt, weil der Wanderweg dorthin im Nationalpark Jasmund durch einen Ehrfurcht gebietenden Buchenwald führt, unter dessen Blätterdach man sich fühlt wie in einem Märchen.
Die Kreideküste ist aber nur einer der vielen Trümpfe, die Deutschlands größte – und für die meisten schönste – Ostseeinsel im Blatt hat. Die vom Meer zerzauste Halbinsel am Kap Arkona im Nordwesten mit Glowe, Breege und dem Traumstrand von Juliusruh, die stillen Boddenufer von Schaprode bis Ummanz im Westen und von Garz bis zur Halbinsel Mönchgut im Osten, die wunderbaren Baumalleen im Inselinneren – oder auch, denn das gehört irgendwie dazu, das autofreie Idyll der kleinen Nachbarinsel Hiddensee sind weitere. Und auf der Liste dessen, was der Mensch geschaffen hat: die Bäderküste von Binz über Sellin und Baabe bis Göhren mit ihren ikonischen Seebrücken, dann das einzigartige Residenzstädtchen Putbus, wo man sich ins englische Bath oder Brighton verlaufen zu haben glaubt – und nicht zu vergessen der vier Kilometer lange „Kraft durch Freude“-Koloss Prora jenseits von Binz: Als „längste Jugendherberge der Welt“ und als spektakuläres Investitionsobjekt für Immobilienkäufer gehört auch dieses von den Nationalsozialisten errichtete Ungetüm zur DNA Rügens.
Und viele, die das alles einmal gesehen haben, sagen sich: Hier könnte ich bleiben. Hier hätte ich gern einen Ferien- oder Altersruhesitz. Oder eine Immobilie, mit deren Vermietung Geld zu machen sein muss: Zwischen 120 und 250 Tagen im Jahr, so die Statistik, kann man auf Rügen an Feriengäste vermieten. Und um so länger, je besser die Voraussetzungen für eine florierende Vermietung erfüllt sind: Das sind neben strandnaher Lage eine moderne Ausstattung, gern mit Kamin, Sauna oder auch Whirlpool, eine ansprechende Möblierung, stabiles WLAN – und ein Service für den Gast, wie er ihn in einem guten Hotel erwarten darf, geliefert von einer professionellen Vermietungsagentur.
So weit, so gut das Idealbild, wie es vor Jahren war, als Rügen und sein (Ferien) Immobilienmarkt boomten. Corona, die politischwirtschaftlichen Verwerfungen der Gegenwart und nicht zuletzt auch die unausweichlichen Anforderungen der Energiewende, die alle Bau und Nach rüstungskosten stark steigen ließen, haben der Hausse einen Dämpfer versetzt. Von 2020 bis 2023, so heißt es auf der Insel, war Stagnation, teilweise gar ein Einbruch, zu konstatieren; Nachfrage und Bautätig keit ließen erkennbar nach. Doch nun, im Sommer 2024, scheint die Talsohle durch schritten zu sein: Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Nachfrage erhöht; zumindest ein Seitwärtstrend scheint jetzt klar gesichert. Besonders Immobilien mit jungem Baujahr und guter Ausstattung sind wieder gefragt, größere Wohnflächen mit drei bis fünf Schlafzimmern, idealerweise in Meereslage zur Eigennutzung als Zweitwohnsitz wer den gesucht, sodass man wieder von einer „stabilen bis vorsichtig steigenden“ Preis entwicklung in der Klasse bis 500.000 Euro reden kann.
Und in der Oberklasse jenseits der zwei oder gar drei Millionen Euro in den Toplagen wie Binz, Baabe, Mönchgut oder auch Glowe ist bis auf Weiteres so wenig Neues im Angebot, dass die Preise definitiv nicht fallen dürften.
Wenn es denn stimmt, dass die Nachfrage wieder anzieht – welche Objekte werden gesucht? Vermietungsobjekte, so heißt es, stünden noch nicht wieder so hoch im Kurs wie zuvor. Derzeit suche man eher Zweitwohnsitze zur Eigennutzung, mit 40 bis 80 Quadratmetern Wohnfläche und so strandnah wie eben möglich. Doch auch nach Hauptwohnsitzen werde wieder gefragt: nach Häusern mit bis zu 150 Quadratmetern Wohnfläche in guter Lage – in Einzelfällen sogar nach großen Penthouse-Wohnungen bis 300 Quadratmetern in Toplagen wie der goldenen Bädermeile von Binz, Baabe & Co.
Strandchampion Usedom
Die Bädermeile gibt uns das Stichwort: Eine noch viel längere, nämlich stolze neun Kilometer messend, hat Rügens östliche Nachbarin Usedom. Gern streiten sich die beiden – übrigens auch mit der schleswig holsteinischen Konkurrentin Fehmarn –, wer die meisten Sonnenstunden vorweisen kann: 2023 war hier angeblich Zinnowitz auf Usedom mit 1.917 Stunden Deutscher Meister. Und gern fachsimpelt man auch darüber, welche der insgesamt neun Seebrücken die schönste ist. Fest steht: Die älteste, 1898 erbaut, hat Ahlbeck, die längste mit 508 Metern Heringsdorf. Beide stehen auf Usedom.
Womit schon das Wichtigste über die langgestreckte Insel, deren Osthälfte in Polen liegt, gesagt ist: Es dreht sich alles um den Strand und seine Endlospromenade – auch aus Sicht des Immobilienmarktes. Zwar schwören Naturliebhaber auch auf das ruhige Achterwasser im Hinterland, wo es in der Tat sehr idyllische Hideaways gibt, doch die Musik spielt vorn am Meer. Wie auch auf Rügen wurde aus dem Verkäufermarkt ein Käufermarkt – und wie auf Rügen scheint er sich preislich zu stabilisieren: Die durchschnittlichen Quadratmeterpreise für Häuser liegen laut Engel & Völkers aktuell bei 3.673 Euro, für Wohnungen bei 2.777 Euro. Veränderung gegenüber dem Vorjahr? In beiden Kategogieren: null Prozent.
Rügen & Usedom
Seebrücke, Kreideklippen - und Sonne satt
Landschaftliche Vielfalt und legendäre Orte auf Rügen, endloser Strand auf Usedom – und ein einzigartiges architektonisches Bild in den Seebädern: ein Inselpaar der Superlative
Rügen ist mit bis zu 1,3 Millionen Besuchern pro Jahr Deutschlands beliebteste Ferieninsel. Hotspots sind Binz (Wohnungen aktuell bis zu 10.000 Euro/m2), Sellin, Baabe und Göhren-Lebbin mit ihrer Bäderarchitektur sowie die idyllische Halbinsel Mönchgut. Nördlich liegt mit der über vier Kilometer langen Wohnanlage
Prora ein Architektur-Ungetüm aus der NS-Zeit. Es beherbergt heute unter anderem eine Jugendherberge und Wohnungen diverser Zuschnitte. Sehenswert sind auch die Residenzstadt Putbus und die Hafenstadt Sassnitz. Reizvoll: der Norden mit seinen langen Stränden – wie auch das gegenüberliegende autofreie Idyll Hiddensee, wo Immobilien jedoch so gut wie nie auf den Markt kommen.
Zur „Sonneninsel“ Usedom, Deutschlands zweitgrößter Insel, kommen Urlauber schon seit 1850; sie galt früher als „Badewanne Berlins“. Die Bäderpromenade mit fünf ikonischen Seebrücken ist rund neun Kilometer lang; der bis zu 70 Meter breite Strand erstreckt sich von Peenemünde bis zum polnischen Swinemünde über 42 Kilometer.
BEL 05/24