Immobilien in Hamburg: Zeitenwende?
Die fetten Jahre könnten auch in Hamburg vorbei sein. Aktuell ist von rückläufigen Preisen wenig zu erkennen, doch die Anzeichen mehren sich, dass schwierigere Zeiten bevorstehen könnten. Mit Prognosen halten sich die Experten daher zurück
Es gibt Zeiten, in denen man sich schnell gewahr wird, wie gut es doch „damals“ war. Nein, keine Angst, der Autor dieser Zeilen gehört zwar nicht zu den progressivsten Menschen seiner Zeit, aber als ewig Gestriger mag er sich auch nicht bezeichnen lassen. Und dennoch ist er mit seinem durchaus etwas wehmütigen Blick zurück offenbar nicht allein. Laut einer aktuellen und repräsentativen Online-Befragung für die Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen (BAT) sehnen sich inzwischen auch die 18- bis 34-Jährigen nach den guten alten Zeiten. 56 Prozent von ihnen gaben an, dass sie lieber in der Vergangenheit leben würden. 44 Prozent bevorzugen die Zukunft.
Das Interessante daran ist, dass diese Umfrage im Jahr 2013 noch ein ganz anderes Ergebnis brachte. Vor acht Jahren wollten gerade einmal 30 Prozent lieber „damals“ und 70 Prozent in der Zukunft leben. Die genannten Gründe für das jüngste Ergebnis waren, dass „es früher besser war“, „man glücklicher war“, es „weniger Kriege und Krisen“ gab und der „Zusammenhalt größer war“. Ein Hoch also auf die Vergangenheit – früher war eben nicht nur mehr Lametta …
Preisrallye noch in vollem Gang
Welche Zeit aus der Vergangenheit die jüngere Generation bevorzugt, geht aus den Ergebnissen der Umfrage nicht exakt hervor. Ein Grund, den die Befragten jedenfalls nicht angaben, waren die Immobilienpreise. Und die waren früher unter Garantie niedriger. Womöglich beschäftigen sich die jungen Erwachsenen nicht so sehr mit Eigentum. Die Befragten von 2013 und
den Jahren davor hätten das wohl besser getan – sieht man sich die gerade erschienenen Zahlen des Hamburger Gutachterausschusses an. Angesichts des aktuellen Grundstücksmarktberichtes für 2021 sind Assoziationen wie „Ach, hätte ich doch damals …“ oder „Wer soll das denn noch bezahlen?“ nur natürlich. Es ist, mit einem Wort gesagt, unfassbar, welche Kaufpreise der Blick des Berichts in die jüngste Vergangenheit offenbart. Und dabei geht es nicht darum, dass zum Beispiel der teuerste Quadratmeter 1994 an der Alster (Schöne Aussicht) mit 6.000 D-Mark beziffert wurde. Allein die Steigerungen des abgelaufenen, zweiten Pandemie-Jahres sind einfach nur krass – um in der Sprache derer zu bleiben, die sich die Vergangenheit zurückwünschen.
Was beschäftigt den Markt? Doch genug mit dem Blick zurück – im Zorn – und weiter mit dem Ist-Zustand und der Schwierigkeit aussagekräftiger Prognosen. Denn die aktuellen Probleme am Markt sind nicht eben wenige, und wie es konkret weitergeht, da will sich kein Immobilienexperte so richtig festlegen. Die Aussage „Stand jetzt“ wird dieser Tage nur zu gern getätigt. Wer weiß denn schon, was in drei Wochen sein wird, geschweige denn in drei Monaten. Zu zahlreich seien die Faktoren, die auf den Markt Einfluss nehmen, zu unklar die Auswirkungen, die diese letztlich haben könnten.
Ein kurzes Update: Die Pandemie ist noch immer existent, auch wenn sie für den Bereich der Wohnimmobilien, so unpassend dies auch klingen mag, eher positiv verlaufen ist – zumindest für die Verkäufer. Die Neuregelung der Maklercourtage hatte, so der allgemeine Tenor in der Branche, weitgehend zur Folge, dass der Verkäuferanteil daran schlicht eingepreist wurde. Ein preislicher Vorteil für die Käufer ist dabei definitiv nicht herausgekommen. Naja, an höheren Kaufpreisen verdient wenigstens die Regierung – über die damit verbundene höhere Grunderwerbsteuer. Apropos, diese wird in Hamburg ab 2023 auf 5,5 Prozent angehoben. Wieder ein zusätzlicher Kostenfaktor für die ohnehin gebeutelten Immobilienerwerber in Hamburg. Erhebliche Auswirkungen auf den Markt haben definitiv die gestiegenen Zinsen.
Klar, aktuell befinden sich diese noch immer auf sehr niedrigem Niveau, doch binnen Jahresfrist hat sich Baugeld mehr als verdoppelt. Ein Umstand, der nicht nur die monatliche Kreditbelastung der Eigennutzer erheblich steigert, sondern auch kühl rechnende Kapitalanleger über ein Investment nachdenken lässt. Wohl dem, der lange Laufzeiten vereinbart hat. Andere sollten über den Abschluss eines Forwarddarlehens nachdenken.
Ähnlich folgenschwer sind die gestiegenen Baukosten und die Rohstoffengpässe, die Bauträger ebenso treffen wie Sanierer und Handwerker. Nicht zu vergessen die unabsehbaren Folgen des Krieges in der Ukraine. Da kommt für die Branche die Inflation womöglich als positiver Effekt gerade recht. Denn die steigende Inflation lasse viele Menschen wieder über die Immobilie nachdenken, heißt es. Andererseits könnten dadurch auch wieder vermehrt potentielle Verkäufer verunsichert werden und ihre Immobilie doch behalten. Alles gerade nicht so einfach.
Hamburg in Zahlen
Quadratmeterpreise, ausgezeichnete Maklerunternehmen, Bauzahlen – interessante Hintergrundinfos zur Hansestadt
13.454 Mrd. Euro betrug der Geldumsatz auf dem Hamburger Immobilienmarkt im vergangenen Jahr. Damit lag das Transaktionsvolumen gut elf Prozent über dem von 2020 und war zudem mehr als doppelt so hoch wie noch vor zehn Jahren. Die Zahl der Kaufverträge ging leicht zurück – auf 11.058 Stück.
34.281 Euro pro Quadratmeter betrug nach aktuellen Angaben des Gutachterausschusses Hamburg der höchste Preis, der für eine Eigentumswohnung im vergangenen Jahr bezahlt wurde. Bei der Immobilie handelte es sich um eine Wohnung in der HafenCity (Elbphilharmonie) mit rund 167 Quadratmeter Wohnfläche aus dem Jahr 2018. Grundlage waren die bislang ausgewerteten Kaufverträge des vergangenen Jahres.
5,5% Grunderwerbsteuer werden Immobilienkäufer in Hamburg ab 2023 bezahlen müssen. Mit der Anhebung von einem Prozent erhofft sich der Senat Mehreinnahmen von rund 132 Millionen Euro im Jahr. Für Erwerber in der Hansestadt steigen die ohnehin schon hohen Belastungen beim Kauf so noch mehr.
9,1 Jahresgehälter müssen Immobilienkäufer in der Metropolregion Hamburg laut der aktuellen Sparda-Studie „Wohnen in Deutschland“ für den Erwerb einer durchschnittlichen Immobilie mit einer Wohnfläche von 123 Quadratmetern ausgeben. Damit liegt der Wert in Hamburg um das 1,7-Fache höher als im bundesdeutschen Durchschnitt. In Hamburg selbst sind es sogar 13,9 Jahresgehälter.
10.207 Baugenehmigungen für Wohnungen wurden 2021 laut dem Statistikamt Nord in Hamburg registriert. Das bedeutete ein Plus von 200 Wohneinheiten gegenüber dem Vorjahr. Seit 2011 wurden somit insgesamt über 106.000 Wohneinheiten genehmigt. Wie viele dieser Wohnungen tatsächlich fertiggestellt wurden, stand bis zum Redaktionsschluss dieses Specials noch nicht fest.
76 Immobilienfirmen aus der Metropolregion Hamburg wurden im Jahr 2022 mit dem begehrten BELLEVUE-Siegel „Best Property Agents“ ausgezeichnet. Mehr Infos zur Auszeichnung jeweils im hinteren Teil des Magazins oder hier online auf der Best Property Agents-Seite.
Wie ist die Lage?
Angesichts dieser Fülle an Unsicherheitsfaktoren wundert es nicht, dass zahlreiche Gesprächspartner das Wort „unkalkulierbar“ wählen, um die aktuelle Situation zu beschreiben. Neben den Objekten fehle nun auch die Verlässlichkeit des Marktes, wird des Öfteren berichtet. Verständlich, wenn man die möglichen Aussichten mit dem vergleicht, was die vergangene Dekade zu bieten hatte.
Seit Jahren kennen die Preise für Wohnimmobilien immer nur eine Richtung – nach oben. Bei jedem neuen Marktbericht des Gutachterausschusses rieb man sich die Augen, wie extrem die Steigerungen hinsichtlich des Transaktionsvolumens waren, während die Stückzahl der Verkäufe rückläufige Tendenzen verzeichnete. Die Kaufpreise für Grund und Boden, Häuser und Eigentumswohnungen schwangen sich zu immer neuen Höhen auf, während die Zinsen im gleichen Maße fielen. Ein nicht ganz ungefährliches Szenario, da es viele Interessenten dazu veranlasst hat, doch Eigentum zu erwerben – fast unabhängig vom Kaufpreis. Bei einem Zinsniveau von 2,5 bis 3 Prozent könnte sich die Situation recht schnell ändern.
Etwas bleibt jedoch auch in diesen schwierigen Zeiten unverändert – die Knappheit der Objekte sowie der anhaltende Wunsch nach der eigenen Immobilie. Insofern ist für diejenigen, die bereit sind zu verkaufen, weil sie wissen, was sie mit dem Geld machen, jetzt ein idealer Zeitpunkt. (Noch) günstige Zinsen und (noch) hohe Preise – der Wind ist günstig, könnte man also sagen.
Noch steigen die Preise
Zugegeben, die Vorzeichen stehen nun wohl eher auf Konsolidierung als auf Anstieg, doch das vergangene Jahr und die ersten Monate dieses Jahres zeichnen noch das bekannte Bild
Grafiken: Jochen Schäfers/Yamori
Wo geht's hin?
Wie bereits erwähnt, sind viele der Vorzeichen gerade nicht wirklich erquickend, doch in einer gefragten Metropolregion wie Hamburg gibt es keinen Grund, in Panik zu verfallen. Vom oftmals zitierten Platzen einer Immobilienblase ist jedenfalls nicht auszugehen. Ein Experte umschrieb die momentane Stimmung mit „angespannter Gelassenheit“. Das passt perfekt in das übliche Bild, wie Hamburger mit schwierigen Situationen umgehen. Auch keiner der berufsbedingt optimistisch eingestellten Experten scheint die Spannungen und Veränderungen, die offensichtlich bevorstehen, zu unterschätzen. Die Schwierigkeit ist, sich von den Zahlen des jüngst erschienenen Berichts des Gutachterausschusses zu lösen und sie als das zu sehen, was sie sind: interessante Daten aus der Vergangenheit.
Die Zukunft könnte, zumindest in verschiedenen Teilsegmenten, anders aussehen. Nicht wenige Makler sehen den Peak der Preise erreicht. Lediglich im Bereich der Liebhaberobjekte und im Neubau dürften dieses Jahr weitere Steigerungen zu erwarten sein. Allerdings sprechen der weiterhin vorherrschende Nachfrageüberhang an vielen Standorten der Hansestadt sowie die Tatsache, dass noch immer ein großes Potential an solventen Suchkunden unterwegs ist, zumindest nicht für einen Einbruch des Marktes für Wohnimmobilien.
Hinzu kommt, dass die Käufer hinsichtlich ihrer Lagekriterien deutlich flexibler geworden sind. Somit verteilt sich das Interesse nahezu auf das komplette Stadtgebiet – nicht zuletzt auch wegen der extrem hohen Preise. Kleinere, früher weniger beachtete Stadtteile rücken vermehrt in den Fokus und sorgen für Bewegung am Markt. Als bestes Beispiel können hier Standorte wie Rahlstedt, Billstedt oder auch Langenhorn herangezogen werden. Sicher nicht die imageträchtigsten Adressen, doch es waren hamburgweit die einzigen Viertel, die 2021 über 100 Transaktionen bei Ein- und Zweifamilienhäusern zu verzeichnen hatten. Der Rest der insgesamt 104 Stadtteile fiel zum Teil deutlich ab, natürlich auch, weil dort das Angebot fehlte.
Man darf gespannt sein, wie sich diese Zahlen im kommenden Jahr präsentieren werden. „Stand jetzt“ dürften deutlich geringere Verkaufszahlen und kaum Preissteigerungen verzeichnet werden. Aber wer will das heute schon beurteilen?