Immobilienmarkt vor dem Absprung: "Mani ist vermutlich letzte Exil am Mittelmeer"
Rund 300 Kilometer südwestlich von Athen liegt auf dem Peloponnes die Halbinsel Mani. Wer sich den Traum vom ursprünglichen Hellas erfüllen möchte, muss handeln – der Markt steht vor dem nächsten Sprung
Um 1970 herum war diese Gegend ein Aussteigeridyll für Hippies, Künstler und „Zurück zur Natur“-Jünger. Am Ende der dreitägigen Fahrt von Deutschland aus warteten das jadegrüne Meer, der Silberglanz der Ölhaine, der Duft von Salbei, Rosmarin und Orangenblüten, turmhohe Zypressen, mächtige Schluchten, Ziegenherden und griechische Gastfreundschaft. Die Mani erlaubte Freiheit, Kontemplation und gelebte Selbstbestimmung.
Nachdem zu viele hymnische „Geheimtipps“ die Runde machten, war es um das Jahr 2000 herum vorbei mit der Unschuld. Ein erster Run setzte ein, und in logischer Konsequenz wuchs ein Immobilienmarkt heran, der eine gewisse Ordnung in die bis dato anarchistische Branche brachte.
Die Türme der Melina Mercouri
Damals wie heute sind es Individualisten, die sich von diesem spektakulären Landstrich begeistern lassen. Ein magisches Band existiert zwischen der akademisch-libertinären Klientel und der rauen Geschichte aus Piratentum, Vendetta und tradiertem Rückzugsmilieu. Als architektonische Wahrzeichen bestimmen die unzähligen Manitürme das Gesicht der Region: spartanische, viereckige, etwa zehn Meter hohe Natursteingebilde mit Fenstern, die eher an Schießscharten erinnern. In ihrer Zeit als griechische Kulturministerin zwischen 1981 und 1986 verordnete die legendäre Schauspielerin Melina Mercouri der gesamten Mani ein Baugesetz bezüglich der einheitlichen Natursteinarchitektur und einem Zwei-Etagen-Limit.
Ab Mai landen auf dem Flughafen von Kalamata fast täglich die zweistündigen Direktflüge aus Wien, Zürich oder München. Die Fahrt auf der spektakulären Serpentinenstraße in das 50 Kilometer entfernte Städtchen Kardamili dauert eine Stunde. Es gilt als Eingangstor zur wahren Mani, und in seinen venezianisch angehauchten Patriziervillen findet man zauberhafte Pensionen, Cocktailbars, Vinotheken, Boutiquen, Yogastudios, Fischtavernen, ambitionierte Strandhotels, Bootsverleiher, wohlsortierte Supermärkte und vereinzelte Immobilienbüros. Seit 25 Jahren sind die deutsch-griechischen Reiseveranstalter und Makler Renate und Kai Wunder (www.wundertravel.com/immobilien) mit ihrem Büro an der Hauptstraße vertreten. Wunder schwärmt: „Unsere Mani ist das vermutlich letzte Exil am Mittelmeer. Pure Schönheit, keine Industrie, Luft zum Atmen, menschliche Lässigkeit, gesunde Produkte, 300 Sonnentage und keine Spur von Kriminalität. Trotz des Booms bewegen sich die Preise für Bauland noch in einem sehr moderaten Bereich. Verglichen mit Frankreich, Spanien oder Italien muss man sogar den Begriff Schnäppchen verwenden. Der Quadratmeterpreis hat sich maniweit durchschnittlich bei 1.500 Euro eingependelt – ein Achtel dessen, was auf Mykonos, Hydra oder Santorini anfällt.“
Schöne Lagen und noch moderate Tarife
Griechenland erwies sich 2022 als ein echter Gewinner der Pandemie. Über drei Millionen Deutsche bereisten Hellas, und alle großen Makler registrierten doppelt so viele Nachfragen nach Ferienhäusern wie in den Vorjahren. Im Gegensatz zu den nationalen Turbulenzen, die ab etwa 2008 begannen, gab es in der Mani statt des üblichen 40-prozentigen Wertverlusts keinerlei Dellen zu verzeichnen; im Gegenteil, es wurde konstant investiert und weiter gebaut. Zwar spürt man in der Vorsaison 2023 den krisenbedingten Anstieg der Baukosten, Zinsbelastungen und steigenden Hypothekenzinsen. Aber es dominiert ein großes Vertrauen darauf, sich mit einer Mani-Immobilie gegen die Inflation abzusichern und sich auf stabile Vermietungsrenditen verlassen zu können. Zwischen Juli und September wird laut Renate Wunderfür eine typische Mani-Villa für bis 300 Euro am Tag vermietet. Auch der Wiederverkaufswert präsentiert sich positiv stabil, denn es besteht eine kontinuierlich wachsende Nachfrage potentieller Kunden. Die Reformen der letzten Jahre haben in Griechenland deutlich Bürokratie abgebaut und den Druck erhöht, zügigere Genehmigungsverfahren zu ermöglichen. Dazu kommt, dass Ausländer, die mit dem Hauserwerb auch ihren Erstwohnsitz nach Griechenland verlegen, bemerkenswerte steuerliche Zuschüsse erhalten.
Das Städtchen Kardamili mit seinen kaum 1.000 Einwohnern zählt zu den Toplagen. Während sich sein Zentrum und die Küstengrundstücke weitgehend in der Hand der Einheimischen befinden, liegen oberhalb – in Richtung Proastio, Neochori, Pirgos oder Riglia – zahlreiche Grundstücke, die beispielsweise für 6.000 Quadratmeter Bauland je nach Lage zwischen 300.000 und 700.000 Euro kosten. Das entspricht ziemlich genau dem doppelten Preis im Vergleich zu 2010. Fertig gebaute Natursteinvillen am Rande der Bergdörfer Kastania, Exochori, Platsa oder Thalames in etwa 15 Kilometern Entfernung vom Meer mit einer Wohnfläche von 120 Quadratmetern stehen derzeit bei rund 300.000 Euro, ein Einfamilienhaus nahe Stoupa mit 160 Quadratmetern Wohnfläche bei 550.000 Euro, ein straßennahes Zwei-Etagen-Haus unterhalb von Neochori mit 130 Quadratmetern und kleinem Garten bei 240.000 Euro. Nach Studium sämtlicher Angebote lässt sich – Stand März 2023 – sagen, dass ein Objekt mit 100 Quadratmetern Wohnfläche preislich bei 200.000 bis 400.000 Euro liegt.
Nicht wenige dieser Fertighäuser, Studios oder Maisonetten wurden von lokalen oder Athener Baugesellschaften relativ schnell hochgezogen. Wer sich für solche Objekte erwärmt, sollte zur Vorbeugnung einer möglichen Enttäuschung auf eine Woche außersaisonales Probewohnen bestehen.
Die zahlreich angebotenen Ferienhäuser bis weit über Areopolis hinaus schlagen ab 200.000 Euro zu Buche. Nun gibt es außen- wie innenarchitektonisch zwischen Griechen und Deutschen durchaus Geschmacksdifferenzen. Je vollständiger ein solches Objekt erstellt wurde, desto ärgerlicher können sich die Rückbauarbeiten gestalten. Und was bei einer sommerlichen Präsentation begeistert, mag sich in den stürmischen Wintermonaten von Dezember bis April als Debakel erweisen - hinsichtlich der Qualität von Kamin, Heizung, Dach, Außenwänden, Isolation, Unterkellerung und Wassersystem. Hier lohnen sich Gedult, Vergleichen, Umhören und der Kontakt zu einer Vetrauensperson vor Ort, die sich um Belange wie Untervermietung und Winterservice kümmert.
Als Königsklasse erweisen sich alleinstehende Halbhöhen mit ihrem phänomenalen Blick über die azurblaue Bucht und die Bergwelt mit dem schneebedeckten Taygetosgipfel über blühenden Zitronenbäumen. Der in Proastio lebende deutsche Architekt Stefan Kaske (www.manidevelopments.com) hat seit mehr als drei Jahrzehnten zahllose Objekte endeckt, entworfen und bis zum Ende begleitet. Er sagt: „Mit etwas Glück und Verstand kann man auch heute noch 10.000 Quadratmeter Baugrund nebst Ölhain für 400.000 Euro erwerben. Man sollte ein möglichst großes Grundstück kaufen und Sorge tragen, dass es später nicht verbaut werden kann und abseits größerer Straßen und beliebter Tavernen liegt. Der Sommer hat durchaus akustische Schattenseiten. Ganz wichtig: Fast jede Einzellage hat ein ureigenes Mikroklima bezüglich Sonnenintensität, Regenhäufigkeit oder der Position zu wechselnden Windrichtungen. Nur wer die Mani profund kennt und sein Traumhaus konsequent umsetzt, wird darin auch glücklich werden.
Wer mit dem Gedanken an eine Mani-Immobilie spielt, sollte vor dem brütenden Hochsommer eine Rundreise von Kalamata aus über Kardamili zum Kap Matapan und zurück über das windumtoste Areopolis unternehmen. Speziell entlang der riesigen Bucht von Itylon entstehen ganze Bungalowsiedlungen mit Pool, Terrassen und blühenden Innengärten. Es ist ersichtlich, dass internationale Investoren gemeinsam mit den Zulassungsbehörden an einer Urbanisierung und kontextuellen Infrastruktur arbeiten.
Seltsamerweise läuft der Immobilienmarkt in Kalamata, dieser ungemein vitalen und einladenden 70.000-Einwohner-Stadt, weitestgehend unter dem Radar. Dabei wartet die messinische Hauptstadt mit vielen Reizen auf: Meer, Hafen, Kultur, Historie, Handel, Entertainment und ein funktionierender Flughafen direkt vor der Türe sind nur einige davon. Während das Zentrum von orientalischem Chaos beherrscht wird, bietet Kalamatas vier Kilometer lange Strandpromenade bis hin zum Luxusvorort Verga reizvolle Immobilienoptionen – von verfallenen Stadtvillen und Kapitänshäusern über schilfumstandene Strandgüter bis hin zu mondänen Palästen. Einen ersten Überblick kann man sich über unsere Immobiliensuche verschaffen.
Auf das Netzwerk kommt es an
Auf dem seit nunmehr 40 Jahren kontinuierlich boomenden Immobilienmarkt herrscht eine für Fremde schwer durchschaubare Mischung aus Vetternwirtschaft, Provisionen, Zuwendungen und Gegengeschäften.
Bevor man in einer solchen Spirale landet, sollte man in sämtlichen Belangen - ob Anwalt, Notar, Makler, Architekt oder Bauplanung unbedingt Ansprechpartner suchen, die - sofern man nicht selbst gut griechisch spricht - der deutschen Sprache mächtig sind, langjährige Tätigkeiten und Referenzen nachweisen können und über ein funktionierendes und seriöses Netzwerk verfügen.
Ratgeber
10 TIPPS FÜR DEN IMMOBILIENKAUF
IN GRIECHENLAND
Empfehlungen der unabhängigen Athener Anwältin
Ira Kaliampetsos (www.legalissues.de)
IRINA KALIAMPETSOS
Rechtsanwältin
1. Den Eigentumstitel überprüfen lassen Beauftragen Sie einen Rechtsanwalt, um die Eigentumstitel der Immobilie beim Grundbuchamt mindestens für die letzten 30 Jahre überprüfen zu lassen. Eine Bescheinigung vom Grundbuchamt darüber, dass die Immobilie lastenfrei ist, reicht allein nicht aus.
2. Beauftragung eines Bauingenieurs Insbesondere beim Kauf entlegener Grundstucke sollte ein Bauingenieur beauttragt werden, der die Beschattenheit des Grundstücks, die Lagepläne und die im konkreten Gebiet geltenden Bau-bestimmungen noch einmal überprüft.
3. Liegenschaftskataster Griechenland ist dabei, ein neues Liegenschaftskataster einzuführen. Sämtliche Grundbuchämter des Landes sollen in den nächsten Jahren mit den Katasterämtern zusammengelegt werden.
4. Waldgebiet Die Waldgebiete in Griechenland wurden in den letzten Jahren neu festgelegt. Sie dürfen nicht veräußert werden, da sie als Staatsgebiet gelten. Unter den Begrift Wald" fallen (sogar meist) auch Buschlandschatten.
5. Denkmalschutz Liegt die Immobilie in der Nähe einer archäologischen Stätte ist mit Verzögerungen und Einschränkungen im Bauvorhaben zu rechnen, da hier die archäologischen Behörden eingeschaltet werden
6. Legalisierung Illegale Zubauten an Häusern können durch ein besonderes Verfahren mitunter legalisiert werden. Lassen Sie von einem Bauingenieur die Richtigkeit einer eventuellen Legalisierung überprüfen.
7. Steuern Um den Immobilienmarkt zu fördern wurde die Grunderwerbsteuer auf drei Prozent gesenkt und die Entrichtung der Wiederverkaufssteuer von 15 Prozent bis zum Jahr 2024 ausgesetzt.
8. Kauf- versus Stellerwert Es wird unterschieden zwischen dem tatsächlichen Kaufpreis und dem gesetzlich festgelegten Steuerwert. Die Grunderwerbsteuer wird anhand des jeweils höheren der beiden Werte berechnet.
9. Der Staat „räumt auf" Um Sünden aus der Vergangenheit zu beseitigen, muss der Verkäufer dafür Sorge tragen, dass sämtliche für die Vertragsunterzeichnung erforderlichen Unterlagen bei allen Behörden (Bauamt, Finanzamt und Gemeinde) inhaltlich übereinstimmen. Oft bedarf es dabei Korrekturen
10. Haben Sie Geduld Die Beschaffung aller Unterlagen sowie die Durchführung erforderlicher Korrekturen kann mehrere Monate dauern
BEL 04/23