Überblick: Stuttgarter Umland
Der Immobilienmarkt in der Stuttgarter Peripherie ist – wie andernorts auch – aktuell ein wenig unübersichtlich. In Zeiten von Neubauflaute, Sanierungspflicht und allgemeiner Verunsicherung hilft der Blick von oben
Auch wenn es schwer fällt, lassen wir den Blick auf die Attraktivität des Stuttgarter Umlandes anfänglich mal außer Acht und richten einen kurzen Blick auf einige Zahlen. Zwar sind bei Wohnimmobilien Emotionen immer mitentscheidend, doch Zahlen sind nicht minder wichtig.
Also bitte: Stuttgart hat aktuell knapp 633.000 Einwohner. Nach der aktuellen Studie „Wohnen in Deutschland 2023“ der Sparda-Bank und des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) pendeln regelmäßig 269.000 Beschäftigte zum Arbeiten nach Stuttgart – Tendenz steigend, nicht zuletzt wohl auch eine Folge des Homeoffice- Trends. Zwei Drittel besagter Pendler kommen aus dem direkten Speckgürtel und benötigen in den Kessel (zumindest mit der Bahn) zwischen 15 und 45 Minuten. Unfassbar wenig eigentlich, vergleicht man das mit den Fahrtzeiten in anderen deutschen Großstädten. So weit, so gut. Interessant ist die Tatsache, dass laut der Studie die Immobilienpreise im Umland aktuell um 19 Prozent günstiger sind als in der nahen Metropole. Zum Vergleich: 2021 waren es nur 13 Prozent. Zu dieser Zeit waren die vier umliegenden Kreise im Schnitt sogar teurer als durchschnittliche Immobilien in Berlin oder Köln. Solche Vergleiche stellen die von BELLEVUE befragten Experten zwar nicht an, doch der allgemeine Tenor ist eindeutig – sei es nun in Esslingen, Waiblingen, Böblingen oder anderswo: Noch immer zieht es eine Vielzahl der Stuttgarter aufgrund der Preise ins Umland.
Preisanstiege sind längst Geschichte
In der Summe führten diese Tendenzen zu teilweise deutlichen Preissteigerungen – gerade an den infrastrukturell guten Standorten mit passender Anbindung nach Stuttgart. Denn die steht, sei es nun per S-Bahn, Autobahn oder zumindest vierspuriger Bundesstraße, in der Anforderungsliste der Suchkunden weiterhin ganz oben. Eine weitere Interessentengruppe, die oft vergessen wird, bilden diejenigen, die ohnehin vor den Toren der Metropole ein Zuhause suchen. Schließlich sind zahlreiche namhafte Arbeitgeber, die eine große Anziehungskraft ausüben, in der Peripherie ansässig. Für diese Nachfrager spielt die Schwabenmetropole selbst keine große Rolle. Und so offenbaren sich in den begehrten Lagen des Speckgürtels dieselben Probleme, die Stuttgart schon immer hatte: zu wenig preislich vernünftige Angebote, selbst in den aktuell nicht einfachen Zeiten.
Dennoch sind die Kaufpreise in vielen Regionen des Umlands weiterhin unter Druck. Für exklusive Objekte und Unikate gilt das selbstverständlich meist nicht.
Aktuelle Situation
Angesichts der anhaltenden Herausforderungen der vergangenen Monate habe der Immobilienmarkt in der Metropolregion doch hohe Widerstandsfähigkeit gezeigt, berichten die Experten. Und die Bodenbildung sehen die meisten zumindest im Bereich der größeren Umlandstandorte sowie bei zeitgemäßen Objekten ohnehin erreicht. 2023 sei die Talsohle (hoffentlich) durchschritten worden, heißt es.
Sicher gibt es auch Ausnahmen. Wenig verwunderlich, dass es sich hierbei um Immobilien mit starkem Sanierungs- oder Renovierungsbedarf handelt. Auch in der Peripherie Stuttgarts spielt die Unsicherheit bezüglich der kalkulierbaren Kosten notwendiger Sanierungen und die damit verbundene Kaufzurückhaltung eine große Rolle. Nachfrage, Einwertungen und das Interesse am Erwerb haben fast flächendeckend zugenommen. Nur an der Umsetzung der Wünsche hapert es mitunter. Dass hier auch die restriktiv agierenden Banken ein Faktor sind, ist auch in und um Stuttgart vermehrt festzustellen.
Neubau – Problem oder Chance?
Mit den gestiegenen Zinsen haben nicht nur die privaten Käufer zu tun. Auch für die Bauträger ist die Finanzierung deutlich kostspieliger. Im Zusammenspiel mit den hohen Baukosten hat dies dazu geführt, dass es für Bauträger weniger rentabel ist, Neubauprojekte umzusetzen und zu realisieren. Nicht zuletzt auch, weil die Nachfrage in diesem Segment nachgelassen hat. „Dies könnte zu einer Verknappung des Angebots führen“, erklärt ein Experte, „insbesondere im Großraum Stuttgart und Böblingen, wo bereits vermehrt ein Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht.“ Droht hier dann auf lange Sicht wieder eine Preisrallye – oder hat sich das Thema des großflächigen Neubaus in Deutschland erstmal auf Jahre erledigt?
Des einen Leid, des anderen Freud’ – könnte man sagen. Denn bei der momentanen Flaute im Neubau steigt die Nachfrage nach adäquaten Bestandsimmobilien wieder an. Allerdings sind es die jüngeren Objekte, vor allem Häuser, die in den Fokus rücken. Möglichst nicht über zehn oder 15 Jahre alt, in energetisch optimalem Zustand ohne Renovierungsstau und im besten Fall noch fertig zum Einzug. Auch hier gab es in der jüngsten Vergangenheit Veränderungen. Nur die wenigsten Interessenten wollen sich in puncto Innenausbau noch selbst verwirklichen. Wer weiß denn schon, ob man überhaupt Handwerker bekommt …
Fazit
Der Bedarf an Wohnraum im Stuttgarter Umland ist unverändert hoch. Auch am Geld mangelt es in vielen Fällen nicht. Hier sind dann nicht selten die zu hohen Kaufpreisvorstellungen der Eigentümer ein Hindernis. Im Falle einer notwendigen Finanzierung seien die Banken aktuell die Spielverderber, wird berichtet. Über deren Beleihungskriterien lohne es gar nicht zu diskutieren.
Fakt ist, dass die Käufer derzeit eine große Auswahl an Wohnimmobilien vorfinden. In den Hochzeiten zu Beginn der 2020er-Jahre war quasi jede Immobilie an den Kunden zu bringen, und dieser hatte kaum Zeit für eine Entscheidung. Diese Situation hat sich in den vergangenen Monaten komplett gedreht. Und so müssen sich auch die Verkäufer mit einer neuen Marktsituation auseinandersetzen. Sogenannte Selbstläufer gibt es nur noch sehr selten.
Doch eines steht über allem – sei es nun im Rems-Murr-Kreis, in Böblingen oder in Ludwigsburg: Dort, wo man reell einwerten kann, funktioniert auch der Verkauf. Nur eben mit größeren Anstrengungen als noch in den Boomzeiten.
BEL 05/24