Beste Aussichten?
War es im vergangenen Jahr noch das Wort „zäh“, das in den Gesprächen mit den Hamburger Maklern am häufigsten fiel, ist es dieses Jahr „Normalität“. Man befinde sich auf einem guten Weg dorthin. Mal sehen...
Der Termin fürs Hamburg Special ist immer wieder ideal. Vor allem in den letzten Jahren zeigt sich, wie sich die Stimmung – nicht zuletzt auch ob des Wetters – bei den Protagonisten im Frühsommer deutlich verbessert. Und dass im Mai auch die Vorjahreszahlen des Gutachterausschusses vorliegen, ist bei der Analyse des heimischen Immobilienmarktes eine zusätzliche Hilfe. Klar sind diese nicht gerade positiv. Das machten sich auch die heimischen Gazetten zunutze und schrieben den Hamburger Immobilienmarkt geradezu nieder. Was die Kollegen allerdings vergaßen: Es handelt sich nicht um den Ist-Zustand, sondern um Zahlen aus der Vergangenheit. Und als solche muss man sie auch beurteilen. Nüchterne Analysen sind natürlich weniger auffällig, schon verstanden ...
Aber: Das herausfordernde Jahr 2023 ist vorbei – zum Glück, möchte man sagen. Nicht nur die Makler sehen ein Licht am Ende des Tunnels. Die Talsohle sei durchschritten, wird berichtet, und man nähere sich langsam wieder den Gegebenheiten eines echten Marktes an – mit ausreichend Angebot, reger Nachfrage und Wahlmöglichkeiten für die Käufer. Die Zuversicht steigt, bald wieder ein gewisses Maß an Normalität erreichen zu können. Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, muss man in diesen Zeiten immer wieder hinzufügen. Der Welt- oder auch der heimischen Politik steht man letztlich machtlos gegenüber.
Marktbereinigung in vollem Gange
Wie sich 2024 oder auch die kommenden Jahre im Bereich Wohnimmobilien entwickeln, hängt sicher von vielerlei Faktoren ab – nicht zuletzt auch von den Baugenehmigungen, den Zinsen oder der Kooperati- on der Banken.
Doch jede Krise hat auch den einen oder anderen positiven Side-Effekt. Dazu gehört in diesem Fall eine gewisse Marktbereinigung. So sind zahlreiche Marktteilnehmer der Boomphase, die man durchaus als Glücksritter bezeichnen konnte, inzwischen weitgehend verschwunden. Qualität ist jetzt gefragter denn je – sei es nun in der Beratung oder auch bei den Immobilien selbst. Die Zeiten, in denen „jede Hütte für teures Geld“ verkauft werden konnte, sind definitiv vorbei. Und auch diejenigen, die ihr Traumhaus zu 100 Prozent und mit spitzem Bleistift gerechnet finanziert haben, sind nun nicht mehr aktiv oder versuchen ihr Glück im Mietmarkt. Dazu später mehr.
Manch ein Makler kennt solche Zeiten gar nicht mehr oder hat solche Phasen womöglich noch nicht erlebt. Aktuell gilt es, Käufer und Verkäufer zusammenzubringen, zu vermitteln und aufzuklären. Echte Maklertätigkeiten also.
Spannende Zeiten
Noch einmal zurück zu den eingangs erwähnten Zahlen des Gutachterausschus- ses, die man zum Teil auf der nächsten Seite nachlesen kann. Dass im vergangenen Jahr das Transaktionsvolumen und auch die Stückzahl der gehandelten Immobilien rückläufig sein würde, war wohl jedem klar. Zudem hat Hamburg diese Entwicklung nicht exklusiv. Vor allem die gestiegenen Zinsen und die Verunsicherung bezüglich des neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ließen viele Kapitalanleger und mit wenig Eigenkapital ausgestattete Selbstnutzer verhalten bis untätig zurück. Dennoch wechselten insgesamt 2.025 Häuser und 3.773 Eigentumswohnungen den Besitzer. Vergleicht man den Preisindex der Objekte, liegt dieser in beiden Segmenten auf einem Niveau wie 2020 und 2021. Trotz aller Schwierigkeiten doch wahrlich kein schlechtes Niveau. Und vor allem, sollte der Boden mittlerweile erreicht sein, auch keine schlechte Ausgangslage für die kommenden Jahre.
Im Segment der Ein- und Zweifamilienhäuser wurden in Rahlstedt, Langenhorn, Billstedt, Niendorf, Schnelsen und Volksdorf die meisten Objekte verkauft – ein ähnliches Bild wie in den vergangenen Jahren. Die meisten Eigentumswohnungen wechselten in Eimsbüttel, Winterhude, Rahlstedt, Barmbek-Süd und Eppendorf den Besitzer. Drastisch war der Rückgang bei Baugrundstücken für Ein- und Zweifamilienhäusern im vergangenen Jahr. Lediglich 173 Bauplätze wurden verkauft, die höchste Anzahl davon in Sasel, Rahlstedt, Poppenbüttel und Niendorf. Im Bereich der Mehrfamilienhäuser wurden hamburgweit 287 Einheiten verbrieft. Zweistellige Zahlen wurden hierbei nur in Harburg, Eimsbüttel und Winterhude erzielt.
Ein- und Zweifamilienhäuser: Rückläufig
Seit 2013 hat der durchschnittliche Preis für ein Ein- oder Zweifamilien- haus um über 87 Prozent zugelegt. 2023 gingen die Preise weiter zurück
Wohnbaugrundstücke: Niveauregulierung
Seit 2013 hat sich der Quadratmeterpreis für Wohnbaugrund von Ein- und Zweifamilienhäusern in Hamburg fast verdoppelt
Neubau-Eigentumswohnungen: Kleines Plus im letzten Jahr
2013 lag der Preis für eine Neubau-Eigentumswohnung bei 3.925 Euro/m2 im Schnitt, 2023 bei 9.005 Euro/m2. Einen Rückgang gab es bislang nicht
Stimmung bestimmt den Markt
Eines vorweg: Makler sind in der Regel eher optimistisch als pessimistisch. Ja, mitunter ist das auch mal Zweckoptimismus. Doch wer sich in diesen Tagen mit Brancheninsidern aus dem Bereich der Notariate oder auch des Gutachterausschusses unterhält, sieht die Wahrnehmung und Erfahrung der Maklerschaft zumindest für die ersten Monate des Jahres bestätigt. Einwertungen, aber auch Beurkundungen haben gegenüber dem Vorjahr deutlich zugenommen. Hinzu kommt die stabile Zinssituation mit Aussicht auf eine mögliche Reduzierung im Sommer. Dass aus dem Damoklesschwert GEG nun eine deutlich abgeschwächte Variante geworden ist, hilft ebenfalls. Der einstige „Habeck’sche Heizhammer“ hat seinen größten Schrecken offensichtlich verloren.
Nicht falsch verstehen, die Energiewerte von Immobilien sind wichtig und spielen auch in vielen Verhandlungen eine immer größere Rolle. Das gilt jedenfalls für Objekte aus dem unteren und mittleren Segment. Das Hochpreissegment nimmt eine gewisse Sonderstellung ein. Doch im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als sich weitestgehend niemand mit dem Thema Sanierung beschäftigen wollte, sind Bestandsimmobilien nun wieder echte Alternativen. Das liegt zum einen am immer geringeren Neubauangebot und zum anderen daran, dass sich jetzt Maßnahmen und mögliche Förderungen besser überblicken lassen.
Dauerthema Neubau
Der durchschnittliche Quadratmeterpreis in Hamburg stieg von 2022 auf 2023 sogar noch einmal ganz leicht an (siehe Grafik auf Seite 81). Zur Erklärung: Das lag nicht etwa daran, dass die Preise insgesamt steigen, sondern an den rückläufigen Verkäufen im Bereich des mittleren und günstigeren Preissegments. So schlugen die hochpreisigen Einheiten stärker zu Buche.
Aktuell keimt bei den Projektentwicklern ein wenig Hoffnung auf. Das liegt nicht zuletzt an der neuen degressiven Afa und den womöglich sinkenden Zinsen. Da bei den Baukosten kaum Aussicht auf einen Rückgang besteht, ist eine wirkliche Entspannung aber nicht in Sicht. Gerade die Verunsicherung der potenziellen Käufer hinsichtlich ihrer Finanzierung oder einer möglichen Pleite des Bauträgers hemmt nach wie vor die Nachfrage. „Die Stimmung ist im Neubaubereich derzeit immer eine Momentaufnahme“, erklärt ein Experte. Das bringt es ziemlich genau auf den Punkt.
Verschiebungen bei der Nachfrage
In ihren Suchanforderungen haben sich zahlreiche Interessenten nun neu aus- gerichtet. Vor allem die Banken spielen hierbei eine große Rolle. Sei es, weil die höheren Zinsen nur noch eine geringere Finanzierungssumme zulassen oder weil der energetische Zustand der Immobilie deren Beleihungswert zum Teil drastisch reduziert. So sucht man entweder das kleinere Objekt, die weniger zentrale Lage oder orientiert sich in Richtung Mietmarkt. Da sich dort jedoch eine Vielzahl von Interessenten umsieht, ist ein stetiger Anstieg bei den Wohnungsmieten zu verzeichnen. Geht diese Entwicklung so weiter und nimmt das Angebot dazu weiter ab, schlittert Hamburg in eine Wohnungsnot. Andererseits könnte manch einer dann auf die Idee kommen, dass Kaufen auf lange Sicht doch günstiger ist als Mieten.
Beste Aussichten?
Angesichts der deutlich besseren Stimmung sowie der positiven Rahmendaten in der Hansestadt ist die Hoffnung auf eine Marktbelebung sicher gerechtfertigt. Wer nun allerdings schon von rosigen Zukunftsaussichten ausgeht und auf den nächsten Boom hofft, könnte ein wenig zu euphorisch daherkommen. Zu zart ist das gerade sprießende Pflänzchen, zu fragil die Gesamtsituation. Geduld ist angebracht.
Doch auch wenn die Kaufpreise in C- und mitunter sogar in B-Lagen noch leicht rückläufig sind: Über ganz Hamburg betrachtet erholt sich der Immobilienmarkt gerade wieder. Es ist Bewegung drin. Der Stillstand des vergangenen Jahres hat sich weitestgehend erledigt. Und das ist es, worauf es letztlich ankommt.
Hamburg in Zahlen
Quadratmeterpreise, ausgezeichnete Maklerunternehmen, Besucherzahlen – interessante Hintergrundinfos zur Hansestadt
6,433 Mrd. Euro betrug der Geldumsatz auf dem Hamburger Immobilienmarkt im vergangenen Jahr. Damit lag das Transaktionsvolumen rund 33 Prozent unter dem von 2022 – ein weiterer Rekordrückgang im Vergleich der letzten Dekaden. Rückläufig war auch die Zahl der Kaufverträge – auf 7.063 Stück (minus 21 Prozent).
42.662 pro Quadratmeter betrug nach Angaben des Gutach- terausschusses Hamburg der höchste Preis, der für eine Eigentumswohnung im vergangenen Jahr bezahlt wurde. Es handelte sich nicht um ein Objekt in der Elbphilharmonie, sondern um eine Immobilie nicht näher bestimmten Baujahres im Bezirk Rotherbaum mit einer Gesamtgröße von ca. 293 m2. Grundlage: die bislang ausgewerteten Kaufverträge des vergangenen Jahres.
2040 wird das Jahr, in dem die neue Brücke über den Nebenarm der Süderelbe fertiggestellt werden soll. In etwa 16 Jahren soll sie die Köhlbrandbrücke ersetzen. Seit 1970 verbindet das Hamburger Wahrzeichen den östlichen mit dem westlichen Hafenteil. Bis zu 5,3 Milliarden Euro soll die neue Brücke kosten.
5.257 Baugenehmigungen für Wohnungen wurden 2023 laut Statistikamt Nord in Hamburg registriert. Das bedeutete ein Minus von 43 (!) Prozent gegenüber dem Vorjahr, in dem 9.199 Einheiten genehmigt wurden. 4.721 Wohnungen entstanden dabei in Neubauten. Das Sollziel des Senats von 10.000 Einheiten pro Jahr wurde deutlich verfehlt.
60 aus der Metropolregion Hamburg wurden im Jahr 2024 mit dem begehrten BELLEVUE- Siegel „Best Property Agents“ ausgezeichnet. Mehr Infos zur Auszeichnung in diesem Heft ab Seite 156 und online unter www.bellevue.de/bpa
BEL 04/24