Der Sylter Immobilienmakler Eric Weißmann berichtet amüsant über seine Erlebnisse mit dem extravaganten Insel-Klientel
Ein Insel-Insider hat über seine Erlebnisse mit Kunden und die Eigenarten der Insel ein amüsantes, kurzweiliges Buch geschrieben.
Leseprobe
Als Makler bin ich mittendrin. Schließlich habe ich es oft mit sehr anspruchsvollen, manchmal auch kuriosen Kunden zu tun. Ich höre ihre Lebensgeschichten, setze mich mit ihren Vorlieben und Eigenarten auseinander, blicke zuweilen auch in Abgründe.
Meist sind es Privatiers mit erfolgreich abgeschlossener Vermögensbildung, die dem Club der Zweitwohnsitzinhaber beitreten. Entsprechend unterscheidet sich ihr Lebensstil vom Alltag ganz normaler Mitbürger. Gerade auf Sylt, wo das Geld so locker sitzt wie die Föhnfrisur vom eigens eingeflogenen Coiffeur. Ob altes Geld oder junge Erben, Spitzensportler oder Fernsehprominenz: Man gönnt sich was.
Auf unserer Luxussandburg im hohen Norden treffe ich daher auf gewisse Extravaganzen. Am begehrtesten ist alles mit Blick: aufs Meer, aufs Wattenmeer oder auf weite Wiesen.
Zum Thema Lage, Lage, Lage widerfuhr mir unlängst eine besondere Begegnung.
Schon im Vorfeld hatte der Kunde betont, das Beste sei gerade gut genug. Das höre ich öfter. Aber dieser Kunde war ein wahrer Blickfetischist. „Ich will nur Natur sehen, wenn ich aus den Fenstern gucke“, sagte er, als wir telefonierten. „Kein Haus, keinen Supermarkt, kein Garnichts.“
Die Suche nach solch einem Objekt ist nicht einfach. Umso glücklicher war ich, als ich etwas Passendes fand: ein Einzelhaus inmitten hügeliger Heidelandschaft. Sogleich schickte ich dem Kunden das Exposé.
Eine Woche später stand er in meinem Büro. 28 Jahre jung, verspiegelte Sonnenbrille, blondierte Haartolle, Segelbräune. „Geld spielt keine Rolex“, waren seine ersten Worte.
„Können Sie mir garantieren, dass ich wirklich nur Natur sehen werde?“
Ich zeigte ihm die aktuellen Bebauungspläne. Rund um das Haus lagen vier weitere Grundstücke, allesamt naturbelassen.
„Und da darf man wirklich keine Häuser draufsetzen?“, vergewisserte er sich. Ich schüttelte den Kopf. „Nach menschlichem Ermessen – nein. In den letzten Jahren wurden auf Sylt kaum noch Baugenehmigungen erteilt.“
„Das reicht mir aber nicht!“, brauste er auf. Dann beugte er sich schweigend über die Bebauungspläne. Das Schweigen zog sich in die Länge.
„Ich kann gern weitersuchen“, versuchte ich einzulenken.
„Nee, nee.“ Er nahm die Sonnenbrille ab und klappte sie zusammen. „Butter bei die Fische. Ich nehme das Haus und kaufe die vier anderen Grundstücke gleich mit. Sicher ist sicher – so kann mir keiner mit einer hässlichen Bude in die Quere kommen.“
Das nennt man wohl eine konsequente Entscheidung.
Wie hoch die Latte der Ansprüche liegt, merkt man spätestens bei der Gestaltung von eigenem Grund und Boden. Auch hier darf’s immer ein bisschen mehr sein.
Einer meiner Kunden erwarb kürzlich ein Anwesen, das mit Heidekraut umwachsen war, träumte aber vom Frühstück unter einem grünen Blätterdach. Deshalb bestand er darauf, sein Grundstück nicht nur mit aparten Büschen und Stauden bepflanzen zu lassen, sondern auch mit ausgewachsenen hohen Bäumen – die Königsklasse der Gartenkunst.
Insgesamt belief sich das Volumen des geplanten Gartens auf eine knappe Million.Nicht jeder versteht solche Dimensionen auf Anhieb. Als das involvierte Architekturbüro die Rechnung stellen wollte, wurde eine neue Mitarbeiterin vom Festland damit beauftragt. Hochmotiviert checkte sie die Excel-Tabelle des Kostenvoranschlags. Und stutzte. Neunhunderttausend Euro für einen Garten? Da konnte doch was nicht stimmen! Posten für Posten löschte sie eine Null. Diese Rechnung mailte sie dem Kunden.
Am nächsten Tag war die Hölle los. Schon morgens um sieben bekam ihr Chef den Anruf des wütenden Gartenbesitzers. Was das denn bitte zu bedeuten habe? Allein die fünf Meter hohe amerikanische Roteiche schlage doch mit 36.000 Euro zu Buche. Für schlappe 3.600 Euro sei allenfalls ein mickriges Pflänzchen zu haben. Der Chef tobte, die Mitarbeiterin entschuldigte sich, die Nullen mussten wieder dran.
Als Fußnote sei noch angefügt, dass die Gartenplanung nachträglich einige Tücken offenbarte. Wie sich herausstellte, waren einige der bestellten Pflanzen nicht für das Sylter Klima geeignet.
Eric Weißmann
Eric Weißmann lebt und arbeitet seit 15 Jahren als Immobilienmakler auf der Insel, 2018 machte er sich mit weissmann-sylt.de selbständig
Das Buch „Aber bitte mit Reet!“ erschien am 1. März 2022 im Knaur Verlag, hat 224 Seiten und kostet 12,99 Euro.