Der Weg vom Hühnerstall zum Traumhaus
Von einem Kuhstall in einen Hühnerstall zu ziehen, mag klingen wie vom Regen in die Traufe zu geraten. In Anne Christine Goerlichs Fall war es jedoch ganz anders
Mit ihrem Mann wohnte Anne Christine Goerlich glücklich und zufrieden in einem sanierten ehemaligen Kuhstall einer Hofstelle im Münsterland. Bis nach nur einem halben Jahr Ungemach drohte: Das baufällige Haupthaus musste saniert werden – und für die Dauer der Sanierungsarbeiten brauchten Goerlichs Vermieter ein Dach über dem Kopf. Also mussten die Kuhstallbewohner ihr Zuhause räumen. Doch ganz aufgeben wollten sie es nicht: „Wir fühlten uns unglaublich wohl dort, verstanden uns so gut mit unseren Vermietern und dem anderen Pärchen, das auch auf dem Hof wohnt. Es ist ein wunderschöner Ort, von Grün umgeben. Außerdem gibt es nirgendwo sonst so spektakuläre Sonnenuntergänge“, erklärt Goerlich.
Nach einigem Hin und Her zeichnete sich eine Lösung ab, die von allen Beteiligten ein großes Maß an Fantasie erforderte: Die Goerlichs kauften den baufälligen Hühnerstall des Hofes, um ihn in ein Wohnhaus zu verwandeln. Zu Beginn ein nahezu unvorstell bares Unterfangen: „Der Hühnerstall war ein windschiefes, schlauchartiges Gebäude ohne Fenster, dafür aber mit meterhohem Dreck von Tausenden Hühnern, die einst darin gehalten wurden.“
Dass die Goerlichs sich ein solches Mammutprojekt zumuteten, liegt an einer baurechtlichen Besonderheit im Münsterland: Verfallen landwirtschaftliche Gebäude, darf an ihrer Stelle nichts Neues gebaut werden, auch wenn abreißen und alles neu machen wesentlich einfacher wäre. Zudem müssen bei einer Umnutzung fünfzig Prozent des Altbestands erhalten bleiben. „Wir haben also einen Neubau um den Altbau herumgesetzt. Die alten Wände sind in den neuen Wänden drin, deshalb sind diese 80 Zentimeter dick.“ Das Gebälk musste aufwendig abgestützt werden, und ganze fünfzig Sattelschlepper waren nötig, um die giftige Aushubmasse abzutransportieren. Dabei packte die Bauherrin stets selbst mit an, trug Schutt hinaus und arbeitete mit der Baukolonne zusammen.
Zwei Jahre dauerte die Verwandlung des ruinösen Hühnerstalls in ein wirklich luxuriöses Wohnhaus. Währenddessen wohnten die Goerlichs auf dreißig Quadratmetern im Gästezimmer des befreundeten Pärchens, das ihnen den Hühnerstall verkauft hatte. Eine harte Zeit. Außer dem hatten sich die Kosten vom ersten Kostenvoranschlag bis zur Realisierung inzwischen verdoppelt. „Wenn wir vorher gewusst hätten, was da auf uns zukommt, hätten wir es wahrscheinlich nichtgemacht. Aber so ist das ja immer.“
So ist es immer, aber nicht immer ist das Resultat so gelungen wie bei den Goerlichs. Wichtig war es ihnen, durch die Fensterläden und die Fassade den Hof und Stallcharme zu erhalten, aber dennoch moderne Akzente zu setzen. Und weil sie Mallorca lieben, wollten sie durch den Klinker, den verwendeten Sandstein und die Außenanlagen gleichzeitig ein mediterranes Flair schaffen. „Unsere Gäste sagen oft, dass man hier auch Ferien machen könnte. Und genau das wollten wir erreichen.“
BEL 05/24