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FOTO: Huber Images/Francesco Carovillano

Kein Mensch braucht eine Immobilie auf Sylt.“ Dieser Satz fällt in jedem zweiten Gespräch mit einem Immobilienmakler auf Deutschlands nördlichster Insel. Und er stimmt auch. Eine Wohnung oder ein Haus mit Blick auf die Nordsee oder das Watt sind bestimmt nicht lebensnotwendig, sondern purer Luxus. So wie die G-Klasse in der Einfahrt mit den kunstvoll geschnittenen Hecken. Oder die Daunenjacke von Moncler für den Strandspaziergang.

Sylt ist mehr als eine Insel in der Nordsee. Sylt ist ein Statussymbol. Ob altes oder neues Geld, Sportler, Showmaster oder Start-up-Millionär, Arzt, Anwalt oder Unternehmer – Sylts wohlhabende Fangemeinde liebt ihre Insel und ist ihr treu. Der typische Sylt-Urlauber ist laut einer Umfrage weiblich (52 Prozent), 43 Jahre alt, sehr gut ausgebildet und besucht neben der Nordseeinsel auch gerne Mallorca so- wie Skiorte in Österreich. Die Klientel läßt sich leicht charakterisieren. Viele haben eine langjährige Verbindung zur Insel, haben hier schon in der Jugend ihre Ferien verbracht. Der Großteil stammt aus den alten Bundesländern, vor allem aus Nordeutschland und NRW. Weitaus weniger Gäste kommen aus den neuen Ländern, Ostdeutsche verbinden ihre sommerlichen Kindheitserinnerungen eher mit den Ostseestränden von Kühlungsborn, Rügen oder Usedom. Bis auf erstaunlich viele Schweizer und einige Österreicher haben Ausländer die Insel noch nicht als Urlaubs-Destination für sich entdeckt. Dafür ist das Nordseeklima wahrscheinlich zu unbeständig und die Anreise zu lang und zu umständlich.

Ausnahme ist das im letzten Jahr eröffnete Luxus-Gesundheits-Resort Lanserhof in List. Hier sollen sich Gerüchten zufolge auch internationale Prominenz sowie Mitglieder europäischer Königshäuser pflegen lassen. Anfang März diesen Jahres konnten sich die Sylter für Führungen durch das in die Dünen eingebettete Ensemble mit 68 Zimmern und Suiten sowie 5.000 Quadratmetern Gesundheits- und Wellnesszentrum anmelden. Beeindruckend sind neben dem wahrscheinlich größten Reetdach der Welt die hohen unterirdischen Gänge, die sich laut Besuchern auch als Location für einen Bond-Film eignen würden. Der Zutritt ist zahlenden Gästen vorbehalten, die Preise beginnen bei knapp 1.000 Euro pro Nacht.

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STEINWALL UND SPITZGIEBEL Neben Sprossenfenstern, Reetdach und verzierten Eingangstüren gelten ein spitzer Giebel und Mauern aus Natur- steinen als typische Elemente friesischer Architektur | FOTO: Privat

Wer sich für Sylter Immobilien interessiert, sollte die Besonderheiten der Insel kennen. Das Angebot an Immobilien auf der 99 Quadratkilometer großen Insel ist überschaubar. Schätzungen zufolge stehen in der Regel permanent nur 120 bis 150 Wohnungen und Häuser zum Verkauf. Sylt soll die höchste Maklerdichte des Landes haben und gilt in der Branche als „Haifisch- becken“. Offiziell sind rund 200 angemeldete Immobilienmakler aktiv, ungefähr 30 verfügen über einen Shop.

Ganz oben links in Deutschland wird mit anderen Maßstäben gemessen. Hier gilt weder die Wohnflächenverordnung noch die Wohnflächenberechnung nach DIN 277, sondern das Fußleistenmaß. Das bedeutet: Gemessen wird von Fußleiste zu Fußleiste, die darüberliegende Höhe wird nicht berücksichtigt. Dieses Maß kann sogar Loggien, Terrassen, den Raum unter Treppen und unterhalb einer Höhe von zwei Metern vollständig miteinbeziehen.

Interessant ist auch das Sylter Souterrain, mitunter auch als „Warftgeschoss“ bezeichnet: Weil Wohnraum meist weder in der Fläche noch in der Höhe vergrößert werden darf, geht man auf Sylt gern in die Tiefe. Fast alle neueren Häuser bieten ein komfortabel ausgestattetes Untergeschoss mit Schlafzimmern, Bädern und Wellnessbereichen, die durch Lichtschächte mit Tageslicht versorgt werden. Oft übertrifft dieses Souterrain flächenmäßig sogar die Grundfläche des Erdgeschosses.

Auf Sylt gibt es auffallend viele Grundstücke, die mit elegant versetzten Doppelhaushälften bebaut sind. Das liegt zum einen an den extrem hohen Grundstückspreisen, zum anderen an den Reetdächern. Aus Brandschutzgründen muss bei Reetdächern ein mit zwölf Metern deutlich größerer Abstand (normal: fünf bis sechs Meter) zum nächsten Haus eingehalten werden.

Neben Reetdach, Backstein, Sprossenfenstern und verzierten Eingangstüren gelten Kapitänsgiebel (spitzer Giebel an der Frontseite) oder Friesenwall (Mauer aus Natursteinen, oft mit Heckenrosen bepflanzt) als typisch friesische Elemente. Protz ist nicht gefragt, sondern eher Tradition und Understatement. Jedenfalls von außen. Innen sind neueste Technik und moderner Landhausstil en vogue.

„Wer vermieten möchte, muss auch etwas bieten. Die Gäste sind anspruchsvoll, entscheidend ist die Qualtät.“

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STEPHAN RUDLOFF

No.1 Immobilien Sylt

„Aufgrund des restriktiven Baurechts sind Immobilien auf Sylt im internationalen Vergleich relativ klein, die m2-Preise aber sehr hoch.“

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RALPH JUSTUS MAUS

Ralph Justus Maus Immobilien

„Die Zeit der Übertreibungen ist vorbei. Wer sich jetzt umschaut und geduldig ist, findet durchaus wieder faire Angebote.“

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ERIK WEDELL

Wedell Sylt Immobilien

„Sylt-Immobilien sind ein gutes Investment. Bei einem guten Objekt sind 180 bis 200 vermietete Tage pro Jahr absolut realistisch.“

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JAN POSNER

Fineline Sylt Immobilien

„Während Niedrigzins-Phase und Corona wurde fast alles gekauft. Jetzt geht es wieder um Emotionen und die Erfüllung von Träumen.“

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ERIC WEIßMANN

Eric Weißmann Immobilien Sylt

„Die Immobilienpreise der Insel haben wieder das Niveau von vor dem Corona-Hype erreicht.“

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THOMAS SCHIEL

Schiel Immobilien Sylt

„Der wahre Reichtum liegt in der Lebensqualität. Ein Zuhause auf Sylt zu besitzen ist ein Privileg, von dem viele Generationen profitieren.“

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JULIA SCHARFE

Sylt Sotheby’s International Realty

Die Ruhe nach dem Corona-Sturm

Die Pandemie hatte auch auf Sylt einen wahren Boom ausgelöst, sowohl bei den Gästezahlen als auch bei Immobilien. Während der Corona-Zeit waren viele Auslandurlaube nicht möglich und mit dem Auto erreichbare heimische Destinationen heiß begehrt. Auch die Nachfrage nach Ferienimmobilien schnellte in die Höhe und ließ als Folge die Preise deutlich ansteigen. Jetzt steht die Welt den Reisenden wieder offen. Hinzu kommen noch gestiegene Zinsen und die allgemeine Zurückhaltung aufgrund der unsicheren politischen Weltlage. Das drückt auf die Immobilienpreise. Sie sind generell wieder auf Vor-Corona-Niveau von 2019 gesunken. Wer sein Sylt-Domizil nicht unbedingt verkaufen will oder muss, nimmt seine Immobilie wieder vom Markt und wartet die Entwicklung ab. Erfahrene Marktbeobachter sind sich allerdings sicher: Wenn sich die Stimmung wieder normalisiert, werden Sylter Immobilien als Erstes wieder anziehen. Bis dahin gönnt sich die Insel eine erholsame Ruhephase. Für Kaufinteressenten dürfte sie durchaus von Vorteil sein.

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UMWELTSCHUTZ UND WOLLE Schafe gehören seit jeher zu Sylt. Sie sind nicht nur Lieferanten für Wolle und Fleisch, sondern auch Umweltschützer. Durch ihren druckstarken Gang – auch „goldener Tritt“ genannt – festigen sie den Deichboden | FOTO: Huber Images/Christian Müringer

Mehr Wohnraum für Insulaner

Anfang März sorgte die Schlagzeile „Verbot von Ferienwohnungen auf Sylt“ für Aufregung. Die Gemeindevertretung hatte einstimmig ein Beherbergungskonzept für die Gemeinde Sylt (südlich von Wenningstedt bis nördlich von Hörnum) beschlossen. Was genau dies bedeutet, ist noch unklar. Erst einmal soll festgestellt werden, wie viele Ferienimmobilien und wie viele Zweitwohnsitze es in dem Bereich überhaupt gibt, was die Bebauungspläne vorschreiben und ob und wie sie geändert werden dürfen oder können. Ein komplexes Unterfangen, das mindestens fünf Jahre in Anspruch nehmen und danach wahrscheinlich noch endlose Einsprüche nach sich ziehen wird.

Ziel des Gemeindebeschlusses sind nicht unbedingt weniger Ferienwohnungen, sondern vor allem mehr und bezahlbarer Wohnraum für die Sylter. Rund 18.000 erstgemeldete Einwohner leben auf Sylt. Hinzu kommen noch geschätzt bis zu 4.000 Pendler, die auf dem Festland leben und auf der Insel arbeiten. Handwerker, Reinigungskräfte, Beschäftigte in Handel, Gastronomie und Hotellerie – ohne sie ist die touristische Infrastruktur der Insel nicht aufrechtzuerhalten. Während der Pandemie haben zahlreiche Dienstleister ihren Job gewechselt, sind in andere Branchen abgewandert. Hinzu kommt, dass durch die permanente Unzuverlässigkeit der Bahn vielen die Lust am Arbeiten auf der Insel vergangen ist. Diese dringenden Probleme zu lösen ist für Sylt keine leichte Aufgabe – und eine ruhigere Phase kann der Insel nur gut tun.


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GRAFIK: Jochen Schäfers/Yamori

DAS BEGEHRTE DUTZEND

12 Orte gibt es auf Sylt. Jeder von ihnen hat seinen eigenen Charakter und auch sein eigenes Publikum

KAMPEN Das teuerste Dorf Deutschlands. Für die durchweg reetgedeckten Häuser zwischen Watten- meer und Nordsee werden Rekordpreise von bis zu 30 Millionen Euro erzielt.

WENNINGSTEDT Das Familienbad der Insel lockt mit feinem Sandstrand und beleuchteten Holzstegen. Für Reetdachhäuser in Dünenlagen werden bis zu 15 Mio. Euro verlangt.

WESTERLAND Die ganzjährig
geöffnete Inselhauptstadt ist bestimmt keine Schönheit, entwickelt erst auf den zweiten Blick einen gewissen Charme. 1-Zimmer-Wohnungen gibt es ab 300.000 Euro.

TINNUM Im Norden der Flughafen und ein Gewerbegebiet, mittendrin die Bahngleise. Beliebt und auch noch bezahlbar sind die Lagen südlich der Bahn und nahe Alt-Westerland.

ARCHSUM Sylts „ländliche Seite“. 300 Einwohner zählt das fast 600 Jahre alte Dorf. Nur sehr selten kommt eines der historischen Friesenhäuser für Millionen- summen auf den Markt.

RANTUM Der kleine Ort liegt an der schmalsten Stelle der Insel. Häuser gibt es jenseits der Million, Wohnungen ab 400.000 Euro. Investoren interessieren sich intensiv für den kleinen Hafen.

HÖRNUM An Sylts Südspitze, einst für Kasernen und Schullandheime bekannt, werden für Spitzenlagen mit Meerblick drei bis neun Millionen Euro bezahlt, Wohnungen gibt es ab 300.000 Euro.

LIST Der nördlichste Ort Deutschlands, einst Fährhafen und Militärstützpunkt, hat sich enorm entwickelt. Einfache Häuser beginnen bei 800.000 Euro, im Süderheidetal werden Reetdachhäuser mit Wattblick bis zu 12 Mio. Euro gehandelt.

BRADERUP Der kleine Ort gehört zu Wenningstedt, gilt mit seinen Reetdachhäusern aber eher als „kleine Schwester“ von Kampen. Zählt neben Kampen und Keitum zu Sylts Toplagen.

MUNKMARSCH Bekannt durch den kleinen Hafen und das Munkmarscher Fährhaus. Die wenigen Häuser des kleinen Ortes sind begehrt, besonders die mit Blick aufs Wattenmeer.

KEITUM Kapitänshäuser und Bauerngärten, Friesenwälle und verzierte Türen – Keitum ist das „Schmuckkästchen“ der Insel. Immobilien in Toplagen erzielen Liebhaberpreise.

MORSUM Hier auf Sylts Ostseite beginnt der Hindenburgdamm. Friesenhöfe mit Wattblick erzielen Höchstpreise; je näher am Bahndamm, desto erschwinglicher die Immobilien.



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Claus-Peter Haller

Redaktion BELLEVUE

BEL 04/23