Münchens Immobilienmarkt - Jetzt einsteigen
Sinnbildlich für die Situation in München – ein spärlich besetztes Karussell auf der Wiesn. Auch auf dem Immobilienmarkt sind sich nicht alle sicher, ob der Zeitpunkt für den Einstieg richtig ist. Doch die wilde Fahrt könnte bald wieder starten
Getreu dem Motto „Nach dem Crash ist vor dem Boom“ strecken zahlreiche große Player auf dem Immobilienmarkt wieder fleißig ihre Fühler aus. Institutionelle Anleger, Investoren, aber auch Privatanleger wollen offenbar die Gunst der Stunde nutzen und sich bei stabilen Zinsen und mitunter kräftig gefallenen Preisen wieder einkaufen. Das Handelsblatt berichtete im August von einem großen Package-Deal im Bereich von fast 265 Millionen Euro für Wohnungen, hinter dem womöglich der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne stecken soll. Und auch von anderen bekannten Investoren ist derzeit in der Presse zu lesen. München ist für viele preislich wieder interessant geworden – wenn man das nötige Eigenkapital mitbringt.
Zum Hintergrund: Selbst in der bayerischen Landeshauptstadt hatte es zum Teil flächendeckende Preisrückgänge gegeben, wurde nur wenig umgesetzt. Ein Blick auf die Zahlen des Gutachterausschusses ist da unzweideutig: 37 Prozent Minus beim gesamten Transaktionsvolumen 2023 gegenüber dem Vorjahr. Und das, obwohl es 2022 bereits ein Minus in gleicher Höhe gegeben hatte. Für Münchner Verhältnisse geradezu eine Katastrophe, für Interessenten an verhältnismäßig günstigen Immobilien ein Paradies. Also, wenn man „günstig“ im Vergleich zur Boomzeit zu Beginn der 2020er- Jahre betrachtet. Des Weiteren sind die Bodenrichtwerte in nahezu allen Lagen der Stadt um bis zu 25 Prozent zurück gegangen. Eigentlich hat sich nur an den positiven Rahmenbedingungen der Isarstadt wenig bis gar nichts geändert. Im Gegenteil, die Wohnungsmieten haben sogar noch weiter zugelegt, was Immobilienanleger selbstverständlich frohlocken lässt.
Nicht zu früh freuen
Allerdings ist bei Weitem noch nicht alles Gold, was glänzt. Sicher, die Stimmung ist um einiges besser als noch im vergangenen Jahr, und der Satz „Zum Glück ist 2023 vorbei“ fällt nicht nur einmal. Das so oft zitierte Tal der Tränen sei durchschritten, wird berichtet, der Markt auf dem Wege der Erholung. Ob dies jedoch insgesamt der Wahrheit entspricht oder nur – um eine weitere Redensart ins Feld zu führen – Pfeifen im finsteren Wald ist, wird sich erst noch zeigen. Zumindest bei den Stückzahlen der Verkäufe, das zeigt sich an den Zwischenergebnissen des Gutachterausschusses, liegt die Talsohle wohl wirklich hinter den Münchnern.
Besonders interessant ist, was langjährige Marktteilnehmer erzählen, die seit über 20 Jahren aktiv sind: „Es ist die dritte Krise, die wir mitmachen – und es ist sicher die heftigste“, resümiert ein Experte. Klar, 2009, im Jahr nach dem Lehman-Crash war der Kaufwille ebenfalls kaum vorhanden, und auch das Zinsniveau war vergleichbar. Doch die Kaufpreise befanden sich auf deutlich niedrigerem Niveau, und die weltpolitische Lage war eine komplett andere.
Zwar ändert sich der Immobilienmarkt gerade wieder, doch die Situation ist und bleibt schwierig. Von einer toxischen Gemengelage ist die Rede. So ist der Neubau mitunter fast zum Erliegen gekommen und München für nicht wenige ohnehin preislich kaum darzustellen. Hinzu kommt, dass die Banken ihre Stellschrauben für Finanzierungen anziehen und die Mieten weiter steigen – zum Teil sogar drastisch. Ganz ehrlich: Es gab schon einfachere Zeiten.
Deutlich geändertes Marktumfeld
Wie herausfordernd die aktuelle Situation ist, zeigt sich an den neuen Bedingungen. Zwar ist die Unsicherheit des letzten Jahres nicht mehr so stark zu spüren, doch von Euphorie kann auch keine Rede sein. Es normalisiert sich gerade, könnte man sagen. Dabei sind die Käufer jetzt in der guten Position, mal so etwas wie Auswahl zu haben, kritisch prüfen und sich durchaus Zeit lassen zu können. So etwas kannte man in München doch gar nicht mehr. Und mit dem gestiegenen Anspruch der Käufer müssen sich auch Verkäufer und Makler umstellen. „Plötzlich“ muss die Immobilie korrekt aufbereitet werden, müssen Daten und Unterlagen vorliegen. Vorbei die Zeiten, in denen Immobilien verteilt oder einfach nur kurz gezeigt werden mussten, um einen Käufer zu finden – selbst in München. Wen wundert’s, dass es nun vermehrt auf die Qualität der Makler ankommt? Und die sind mitunter gar nicht so unzufrieden mit der Lage. „Wir sind da, um Immobilien zu verkaufen, nicht, um sie anzubieten,“ bringt es ein Makler auf den Punkt.
Selbstverständlich kommt es nun auch auf die Qualität der einzelnen Immobilie an. Hier zeigt sich, dass nicht nur bei den Käufern, sondern auch bei den Banken das Energiethema einen extrem hohen Stellenwert bekommen hat. Erfüllen Haus oder Wohnung nicht den gewünschten Standard, müssen vor allem Objekte in den einfachen und mittleren Preisbereichen zum Teil erhebliche Einbußen hinnehmen.
Unantastbares Spitzensegment?
Es nicht so, dass die Krise an den Besitzern von Top-Immobilien ganz spurlos vorübergegangen wäre. Die Anzahl der angebotenen High-End-Objekte hat zugenommen, und auch die Vermarktungszeiten können aktuell durchaus mal ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Auch oder vielleicht auch gerade in diesem Preisbereich seien die Käufer überaus vorsichtig. Selbstläufer gebe es selten, heißt es. Dabei ist in der Metropolregion wohl die kaufkräftigste Klientel ganz Deutschlands unterwegs. Plus eine große Zahl internationaler Interessenten. Womöglich sind die Preisvorstellungen vieler Verkäufer daher noch zu ambitioniert. Denn auch für das Spitzensegment gilt: Wenn Preis und Leistung stimmen, kommt es zum Abschluss. Wer zu hoch rangeht, muss womöglich einen sehr langen Atem haben.
Quo vadis Neubau?
Sagt Ihnen Theo Lingen noch etwas? Der deutsche Schauspieler war nicht nur für seine nasale Stimme bekannt, sondern besonders für den fortwährend getätigten Ausspruch „Traurig, traurig, traurig ...“, den er mit einem enttäuschten Kopfschütteln untermalt hat. Angesichts der momentanen Situation im Neubausegment hätte er das sicherlich auch gesagt. Denn was sich auch an der Isar in diesem so beliebten Bereich tut (oder auch nicht), ist einfach nur – genau, traurig.
Zwar sind derzeit noch zahlreiche attrak tive Projekte und Einheiten auf dem Markt, doch nicht selten fehlt es an Kaufwillen, Zuversicht gegenüber dem Bauträger, oder die Bank legt ihr Veto ein. Deren Interesse an der Finanzierung von Neubauobjekten tendiere ohnehin gen Null, berichtet ein Branchenexperte. Um für eine echte Belebung in diesem Segment zu sorgen, braucht es entweder einen Impuls von außen, etwa deutliche Zinssenkungen, oder eine Reduzierung der Kaufpreise. Nur: Das dürfte schwer darstellbar sein, weil die Grundstücke oftmals in der Hochphase eingekauft wurden. Jedoch gibt es durchaus Beispiele, die verdeutlichen, dass reduzierte Preise zu Verkäufen und damit zu mehr Liquidität für den Bauträger geführt haben. Der Halbsatz eines Experten dazu: „Also, bevor ich gar nichts verkaufe …“
Fakt ist, gerade in München wird in allen Bereichen Wohnraum benötigt – von einfach bis teuer. Das gilt vor allem, wenn man sich einzelne Prognosen der Bevölkerungsentwicklung ansieht. Im heftigsten Fall ist für 2040 von einer Einwohnerzahl von 1,8 Millionen die Rede. Das wären rund 350.000 Münchner mehr als heute.
Fazit
Unterm Strich kann man sagen, dass die ersten Schritte – zumindest, was den Bereich der Bestandsimmobilien – gemacht sind. Die Nachfrage steigt, die Interessenten haben vielfach ihre Zurückhaltung aufgegeben. Nur einen signifikanten Anstieg der Verkäufe kann man aktuell noch nicht erkennen. Wichtig ist ein verhaltener Optimismus, gepaart mit der nötigen Ruhe. Langfristig, da sind sich die meisten Experten sicher, wird es an der Isar flächendeckend wieder aufwärts gehen. Das war in den vergangenen 50 Jahren immer so. So könnte nun auch der richtige Zeitpunkt sein. Wie auf der Wiesn: „Hier nochmal einsteigen, hier nochmal mitfahren …“
MÜNCHEN IN ZAHLEN
7,5 Mrd. Euro Transaktionsvolumen registrierte der Gutachterausschuss 2023 in München – ein Minus von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der höchste Geldumsatzanteil entfiel mit rund 3,7 Milliarden Euro auf Wohnungs- und Teileigentum. Auch bei den Stückzahlen (8.185 Transaktionen) gab es ein Minus von zwölf Prozent.
33.500 Euro pro Quadratmeter betrug nach Angaben des Gutachterausschusses München der höchste Preis, der 2023 für eine Eigentumswohnung bezahlt wurde – deutlich weniger als der letztjährige Rekordwert von 41.550 Euro pro Quadratmeter. Es handelte sich um einen Neubau mit rund 280 Quadratmetern Wohnfläche in bester Lage. Auch der im Bestand verbriefte Spitzenwert (19.400 Euro/m2) lag weit unter dem von 2022.
18,6 Mio. Übernachtungen registrierte München im vergangenen Jahr. Damit besuchten so viele Menschen wie noch nie die bayerische Landeshauptstadt. Es sei das erfolgreichste Tourismusjahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1912 gewesen. Die meisten München-Touristen kommen aus den USA (fast 1,3 Millionen Übernachtungen). Mit deutlichem Abstand folgen Italien, Großbritannien und Österreich.
6. Platz - dort befindet sich München im Vergleich von Mietwohnungen in Europa. Die von Studenten und jungen Berufstätigen genutzte Vermittlungsplattform Housing Anywhere hat die durchschnittlichen Mieten für Wohnungen, Studios und Zimmer in 28 Städten analysiert. Fazit: Während die Mieten in einigen deutschen Städten zuletzt etwas sanken, stiegen sie in München weiter an – für Wohnungen sogar um 9,4 Prozent. Diese kosten in der Isar metropole 1.860 Euro.
9.837 Wohnungen wurden 2023 im Stadtgebiet München fertiggestellt. Ein deutliches Plus (30,2 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Auch bei den Baugenehmigungen vermeldet das Statistische Amt einen Anstieg: 9.083 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr genehmigt – ein Plus von 12,2 Prozent gegenüber 2022. Die durchschnittliche Wohnfläche je Neubauwohnung lag 2023 bei 71,9 Quadratmetern.
BEL 06/24