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SYMBOLIK Auch Münchens „Friedensengel“, die Siegesgöttin Nike, hat sicher schon bessere Zeiten in ihrer Stadt erlebt | FOTO: picture alliance/imageBROKER/Martin Siepmann

Kenner des Münchner Immobilienmarktes reiben sich inzwischen fast ungläubig die Augen. Ist das noch die heimliche Hauptstadt, die Weltstadt mit Herz, die Stadt, in der – zumindest für Immobilienbesitzer und -verkäufer – jahrelang Milch und Honig flossen? Tja, auch wenn es für manch einen (der in den letzten zwölf Monaten dann wohl die Augen geschlossen hatte, die er sich nun reibt) unwirklich erscheint, auch an der Isar sind neue Zeiten angebrochen. Eines vorweg: Dramatisieren sollen die aktuelle Situation am Immobilienmarkt andere, doch Journalist zu sein bedeutet letztlich auch, niemanden besser (oder schlechter) zu machen, als er ist. Und so muss man einfach mal festhalten: München ist in der Realität angekommen. Es ist eben auch nur eine Metropole. Eine außergewöhnliche, ganz bestimmt, aber eben doch nicht so unverwundbar wie vielfach gedacht. Die Bastion der Unantastbarkeit, wie es ein Experte ausdrückte, sei gefallen. Und Unsicherheit ist wohl auch für die bayerische Landeshauptstadt Kryptonit.
Dabei offenbarten einige Zahlen des 2022er-Berichtes vom Gutachterausschuss Überbleibsel aus der Vergangenheit. Über 41.000 Euro pro Quadratmeter für die teuerste Neubauwohnung, und auch im Bestand lag der Spitzenwert bei 32.000 Euro. Rekordwerte, aber absolute Ausnahmen. Wer genauer hingesehen hatte, sah die bevorstehenden Folgen bereits kommen.

Erschreckende Halbjahresbilanz

Gemeint sind hierbei nicht die ersten Insolvenzen in der Bauträgerbranche oder die drastischen Rückgänge bei den Baugenehmigungen, sondern die brandaktuellen Zahlen, die der Gutachterausschuss Mitte September vorlegte: die Wahrheit des ersten Halbjahres. Ohne zu sehr in die einzelnen Teilmärkte gehen zu wollen, bleibt unterm Strich ein Rückgang von 33 Prozent bei den Kaufverträgen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Noch eklatanter ist die Reduzierung des Umsatzes in der gleichen Zeit von 42 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro. By the way, die Rückgänge in den Segmenten Baugrundstücke für den individuellen und mehrgeschossigen Wohnungsbau sind deutlich höher. Das nennt man wohl einen Schlag ins Kontor

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FOTO: iStock.com/wirestock

Stimmung erschwert das Geschäft

Die Fakten liegen also auf dem Tisch. Allerdings haben eben diese auch Hintergründe. Und die resultieren nicht zuletzt auch aus der Stimmung, die sich aktuell im Markt und in den Transaktionen widerspiegelt. Nun sind Ukraine-Krieg, Zinsanstiege durch Inflation oder gestiegene Baukosten schlecht wegzudiskutieren, doch insgesamt passieren viele Dinge im Kopf. Und da wären ein paar positive Gedanken nicht das Schlechteste. So hat die gestiegene Inflation auch ihr Gutes, denn nominal sind die Preise in München seit Anfang 2022 „nur“ um 15 Prozent zurückgegangen, jedenfalls laut der jüngsten Studie der Schweizer UBS-Bank. Und wer nicht gerade in der Höchstphase gekauft hat, erlebt nun zwar rückläufige Preise, macht im Falle eines Verkaufs derzeit aber nur etwas weniger Gewinn. Von Verlust kann nach den Boomjahren kaum eine Rede sein. Manchmal kommt es einfach auf die Sichtweise an.

Qualität ist gefragt

Die momentane „Beruhigung“ des Münchner Wohnimmobilienmarktes sehen nicht wenige Experten als erforderliche Rückkehr zur Normalität an – durchaus verbunden mit Chancen. Jahrelang auf Wolke sieben schwebend, zog bereits im letzten Jahr ein Marktteilnehmer das süffisante Fazit, dass nun auch in München endlich eine miese Lage wieder eine miese Lage und nicht mehr überall jedes Objekt zu verkaufen sei. Diese Entwicklung der „Immobilienverteilung“ sahen viele Kollegen ohnehin als sehr gefährlich an, auch wenn man dabei sicher gut verdient hatte. Gesund war dies jedoch nicht – wie sich nun deutlich zeigt. Gerade angesichts der Fallhöhe. Ganz klar, nun ist auch in München Qualität das, was zählt – sei es nun bei der Beratung oder der Lage und der Ausstattung der Immobilien.

„Es ist doch fast wie in alten Zeiten“, sagte eine Maklerin dann auch folgerichtig. Plötzlich finden potentielle Käufer auch in der Stadt wieder eine echte Objektauswahl vor, können sich mit ihren Entscheidungen sogar Zeit lassen und verhandeln. Und man muss als Makler wieder die Vermittlung von Käufern (und Verkäufern) in den Mittelpunkt stellen. So wie man es vor vielen Jahren gelernt hat und es junge Makler nun nach zahlreichen Boomjahren neu lernen müssen. Eben ein richtiger Markt. Denn nur die wenigsten Immobilien verkaufen sich aktuell praktisch von allein.

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DIFFERENZIERTER IMMOBILIENMARKT Die Aussage „In München sind alle Lagen top“ gehört der Vergangenheit an. In diesen herausfordernden Zeiten gilt es, jeden Standort und jede Lage auf Qualität, Potential und angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis zu prüfen | Grafik: Jochen Schäfers/Yamori
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ATTRAKTIVITÄT Die bayerische Landeshauptstadt verfügt über ein großes Angebot an schönen Quartieren und Immobilienangeboten – gerade im Bestand | FOTO: München Tourismus/Sigi Müller

Nur wenige Ausnahmen

Einzig im ganz hochwertigen Bereich scheinen die Uhren noch etwas anders zu ticken. Nicht zuletzt, weil weiterhin viele finanzkräftige Käufer unterwegs sind, ist dieses Segment unkritischer zu bewerten. Finanzierungen spielen da zwar keine Rolle, doch Zurückhaltung spürt man auch im Bereich der Millionenobjekte. Wer hier unterwegs sei, wird berichtet, wisse, wie der Markt derzeit laufe. Da würde nur in den seltensten Fällen der volle Kaufpreis bezahlt. Deswegen kann man ruhig festhalten, dass es für finanzkräftige Käufer sicher nicht der falscheste Zeitpunkt für einen Kauf ist. Die Balance zwischen Angebot und Verhandlungsbereitschaft der Verkäufer sei momentan sehr gut.

Unsicherheitsfaktor Neubau

„Armageddon im Neubau“ – „Es wird ganz grauenhaft“: Bezüglich der Zukunft des Neubaus versuchen sich die Kollegen der Presse aktuell mit Horror-Headlines gegenseitig zu übertreffen. Auch dies wirkt dem bereits erwähnten Stimmungstief in München sicher nicht entgegen. Allerdings darf man nicht verhehlen, dass dieses Marktsegment – drücken wir es mal sehr sanft aus – schon deutlich bessere Zeiten erlebt hat. Momentan haben die Bauträger noch reichlich Objekte im Angebot.

Und das für nahezu jede Gehaltsklasse (ab Seite 132 im Heft BELLEVUE 06/23). Nur für die Zukunft sieht es eher düster aus. „Wir haben in diesem Jahr noch kein neues Grundstück eingekauft,“ resümiert ein Anbieter, und ein anderer ergänzt, dass man begonnen habe, fertige Objekte in den eigenen Bestand aufzunehmen und zu vermieten. Nun ist es nicht so, dass der Neubau „tot“ sei. Geschäft würde noch immer gemacht, aber mit „wahnsinnig viel Aufwand“ bei einer deutlich verkleinerten Zielgruppe. Denn die sogenannten Hoch-Finanzierer, ob nun für den Eigennutz oder als Anlage, seien fast komplett weggebrochen. Doch auch hier liegen wiederum Chancen, denn wer ausreichend Eigenkapital mitbringt, hat derzeit endlich Auswahl und kann Immobilien kaufen, bei denen das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) mal gar keine Rolle spielt. Und im höherpreisigen Segment sei ohnehin dauerhaft mehr Bewegung, heißt es. Allerdings wird auch hier von Käuferseite gerne an der Preisschraube gedreht. Wie sich die Preise jedoch angesichts des extremen Objektmangels in den kommenden Jahren entwickeln werden, vermag keiner genau einzuschätzen.

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WIRTSCHAFTSKRAFT Unstrittig ist die große Bedeutung der Wirtschaft in München. Unverändert zieht es Unternehmen und Arbeitskräfte in die Stadt | FOTO: Martin Brunner/HUBER IMAGES

Fazit

Selten hat man auf einer Interviewrunde an der Isar derart viele knackige Zitate gehört. Und selten wurde im Rahmen eines Specials so sehr über die Versäumnisse und Fehler der Politik diskutiert wie im Fall von München. Tacheles nennt man das wohl. Eine kleine Auswahl gefällig? „Die Preiskorrekturen sind längst noch nicht überall durch, auch wenn viele Verkäufer diese noch gar nicht verinnerlicht haben.“ – „Die Insolvenzliste liest sich wie die Gästeliste der letzten Branchenparty.“ – „Die Neubaukrise wird sich positiv auf den Bestand auswirken.“ – „Der Wohnungsmangel wird München wie ein Hammer treffen.“

Klingt alles nicht besonders zuversichtlich, das ist klar. Aber die Chancen in der Krise sind vorhanden. Schließlich gibt es nicht wenige solvente Käufer, die in den Boomzeiten nicht zum Zuge kamen. Deren Zeit ist nun gekommen, denn in fast jedem Stadtteil findet man nun wieder Angebote. Ganz im Ernst, auch wenn sich der Markt nun gesundschrumpft, ist und war München zu attraktiv, um abzustürzen. Was seit einem Jahr zu beobachten ist, kann zudem nicht als Crash bezeichnet werden. Die Preise gingen einfach stetig bergab – so wie vorher jahrelang stetig bergauf. Die große Frage ist, ob dieser Trend nun gestoppt ist oder nicht.

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LEBENSQUALITÄT Trotz des geringsten Anteils an Grün- und Wasserflächen im Stadtgebiet – im Vergleich aller deutscher Großstädte – ist der Freizeitwert in München enorm hoch | FOTO: iStock/Rudolf Ernst

MÜNCHEN IN ZAHLEN

Quadratmeterpreise, ausgezeichnete Maklerunternehmen, Bauzahlen – interessante Hintergrundinfos zur Isarmetropole

11,9 Mrd. Euro Transaktionsvolumen registrierte der Gutachterausschuss 2022 in München – ein Minus von 37 (!) Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch bei den Stückzahlen wurde mit insgesamt 9.300 Transaktionen ein sattes Minus von 29 Prozent vermeldet.

41.550 Euro pro Quadratmeter betrug nach Angaben des Gutachterausschusses München der höchste Preis, der für eine Eigentumswohnung im Jahr 2022 bezahlt wurde. Es handelte sich um einen Neubau mit insgesamt rund 315 Quadratmetern Wohnfläche in Bogenhausen. Auch im Bestand waren die verbrieften 32.400 Euro/m2 ein Rekordwert. Grundlage waren die im Jahr 2022 ausgewerteten Kaufverträge.

20 Städte rangieren in Sachen Lebensqualität inzwischen weltweit vor München. Im jährlichen Ranking des britischen Nachrichtenmagazins Economist Intelligence Unit (EIU) rutschte die Isarmetropole im Vorjahresvergleich um fünf Plätze ab. Seit dem Jahr 2004 vergleicht der „Global Liveability Index“ der EIU Lebensstil und Lebensqualität von weltweit über 140 Metropolen. Spitzenreiter ist einmal mehr Wien.

17 Jahre könnten nach einer Studie des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirts ins Land gehen, ehe Bayern klimaneutral ist. Die Studie enthält vier mögliche Szenarien. In jeder wird davon ausgegangen, dass der Bruttostromverbrauch steigt. Somit sei eine Verfünffachung der Leistung der erneuerbaren Energien nötig. Damit könnte der Freistaat fünf Jahre früher die von der Bundesregierung für das Jahr 2045 angepeilte Klimaneutralität erreichen.

7.552 Wohnungen wurden 2022 im Stadtgebiet München fertiggestellt. Ein Plus (5,8 Prozent) gegenüber dem enttäuschenden Vorjahr, doch für den Bedarf in der Stadt deutlich zu wenig. Noch extremer ist das Minus bei den Baugenehmigungen: Mit lediglich 8.098 Wohnungen wurden noch einmal 6,4 Prozent weniger Einheiten genehmigt als im ohnehin schon sehr schwachen Jahr 2021.

127 Immobilienfirmen aus der Metropolregion München wurden im Jahr 2023 mit dem begehrten BELLEVUE- Siegel „Best Property Agents“ ausgezeichnet. Mehr Infos zur Auszeichnung unter www.bellevue.de/bpa

„Auch im 2. Krisenjahr entsteht der Eindruck, als würden Baubehörden, Bundes- und Lokalpolitik an ihrer Bau-Verhinderungspolitik festhalten“

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BURGHART HOUBEN

Houben Vermögensverwaltung

„Es ist sicher keine leichte Zeit, aber Umsätze werden auch weiterhin gemacht. Und die Beratungsintensität hat zugenommen.“

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DR. BERNHARD BAUER

S-ImmobilienService München

„Das Luxussegment und in Teilen der Neubau sind von der derzeitigen Lage weniger betroffen. Aber es muss sich um ,besondere‘ Objekte handeln.“

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MIRIAM SCHNITZKE

Duken & v. Wangenheim Immobilien

„Der Markt wird auch in München differenzierter. Ich rechne preislich mit einer Seitwärtsbewegung, die längere Zeit anhalten wird.“

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THOMAS AIGNER

Aigner Immobilien

„In München ist weiterhin viel Kapital unterwegs. Nur sind die Objekte, die im High-End-Segment gesucht werden, leider sehr rar“

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JÜRGEN LENHARDT

KENSINGTON Finest Properties

„In Ballungsräumen steigen die Mieten rasant. Wenn man den Neubau nicht zügig ankurbelt, wird Wohnen zur neuen sozialen Frage.“

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JÜRGEN SCHORN

BAUWERK

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Sven Heinen

ist Redaktionsleiter bei BELLEVUE.
Tel.: 040-593 625 040

BEL 06/23