Marktreport Rostock: Viele Facetten
Die kleine Metropole an der Ostseeküste hat einiges zu bieten – von Sandstränden bis zur Universität. Aufgrund des attraktiven, aber überschaubaren Angebots haben sich auch die Preise positiv entwickelt. Inzwischen rückt Rostock bei immer mehr Käufern in den Fokus
Klar, in Europa gibt es zahlreiche Seebäder. Deauville oder Biarritz in Frankreich etwa oder auch Ostende in Belgien. Doch außer dem südenglischen Brighton und Nizza an der Côte d’Azur ist Rostock die einzige Großstadt Europas mit eigenem Seebad. Im Falle der Hansestadt sprechen wir dabei nicht nur von einem, sondern gleich von vier offiziellen Seebädern – Diedrichshagen, Warnemünde, Hohe Düne und Markgrafenheide. Dazu befinden sich im direkten Umland mit Nienhagen, Kühlungsborn, Rerik und Graal-Müritz noch vier weitere Seebäder. Das dürfte Rostock sogar weltweit ein Alleinstellungsmerkmal liefern.
Höhere Preise in den Seebädern
Auch im Bericht des Gutachterausschusses gibt es hierzu eine gesonderte Auflistung der Transaktionen. Diese werden im „küstennahen Bereich“, zu dem die vier Seebäder gehören, separat registriert. Kein Wunder, dass hier regelmäßig die höchsten Immobilienpreise erzielt werden – vor allem bei erster Reihe und Meerblick. Im vergangenen Jahr 2021 wurde dort auch die Grenze von 10.000 Euro pro Quadratmeter überschritten. Im übrigen Stadtgebiet sind in der Spitze „nur“ 6.000 bis 6.500 Euro pro Quadratmeter möglich. Insgesamt präsentiert sich die Lage in Rostock ähnlich wie in vielen anderen deutschen Großstädten: 2021 gab es einen leichten Rückgang an Kaufverträgen gegenüber dem Vorjahr (1.046 Kauffälle, minus elf Prozent), während der Umsatz mit 652 Millionen Euro ein Plus von 17,1 Prozent gegenüber 2020 verzeichnete. Fazit: weniger Verkäufe bei höheren Kaufpreisen.
Tourismus ist eine Haupteinnahmequelle
Ob dieser Trend auch 2022 anhält, darf bezweifelt werden. Doch in der gut 200.000 Einwohner zählenden Stadt an der mecklenburgischen Ostseeküste ist Tourismus eine der Haupteinnahmequellen, und das wird auch so bleiben. Seebäder, Kreuzfahrthafen, Hanse Sail, Rostocker Heide – für Urlauber ist die Hansestadt ein echtes Dorado. In Sachen Ferienimmobilien dürfte wohl kein Einbruch zu erwarten sein. Bis zu 50 Prozent der Wohnimmobilienumsätze, so wird geschätzt, werden im Bereich von Zweitwohnsitzen und Ferienobjekten getätigt.
Hinzu kommt, dass Rostock eine der ältesten Universitäten Deutschlands beherbergt und auch der „normale“ Hafen der Stadt große wirtschaftliche Bedeutung hat. Er zieht internationales Kapital in die Stadt. Insgesamt verfügt man also über einige Pfunde, mit denen man wuchern kann. Überhaupt ist Rostock, wie es ein Experte unlängst ausdrückte, eine „schöne, kompakte Großstadt, die sich bislang kaum im Investorenfokus befindet“.
Markt und Lage
Rostock kann getrost als Doppelstadt bezeichnet werden, da Warnemünde und der bereits genannte „küstennahe Bereich“ einen ganz eigenständigen Markt darstellen. Nicht zuletzt deswegen ist die Stadt auch so facettenreich. Wer das Wohnen am Wasser (Meer oder Fluss) schätzt, kommt ebenso auf seine Kosten wie diejenigen, die urban mitten in der historischen Altstadt oder auch im Grünen leben möchten. Es klingt wie eine Platitüde, aber in der Hansestadt kommt wirklich jeder auf seine Kosten. Gut, das Wohnen im Hochhaus wird schwierig – es sei denn, sanierte Plattenbauten zählen mit in diese Kategorie …
Einige Beispiele gefällig? Die Kröpeliner-Tor-Vorstadt, kurz KTV genannt, vergleicht ein Experte mit den Berliner Kiezen Friedrichshain oder Kreuzberg. Urban, jung, gesucht wäre wohl der passende Titel. Ähnlich mittendrin liegen die Östliche und Nördliche Altstadt. Doch auch – man mag es angesichts des Namens gar nicht für möglich halten – das Bahnhofsviertel mit seinen zahlreichen Gründerzeitvillen ist gefragt und sehr hochpreisig.
Völlig anders strukturiert, doch nicht minder nachgefragt ist Gehlsdorf auf der östlichen Seite der Warnow. Hier findet man alte Kapitänshäuser in Wassernähe ebenso wie Neubaugebiete mit lockerer Einfamilienhausbebauung. Der Standort liegt direkt am Wasser auf der anderen Uferseite und ist doch weit ab vom Schuss. Denn da es weder eine nahe gelegene Brücke noch eine Fähre in die Stadtmitte gibt, ist man – je nach Weg – zwischen zehn und 17 Kilometern unterwegs. Viele Bewohner halten dies für einen Vorteil, andere schreckt die lange Strecke in die Stadt.
Den braucht man allerdings eigentlich gar nicht auf sich zu nehmen, da Gehlsdorf infrastrukturell gut entwickelt ist. Über allem thront als Lage selbstverständlich das Seebad Warnemünde. Ein Stadtteil, dessen Sandstrand von der Innenstadt aus bequem mit der Straßenbahn zu erreichen ist. Was bleibt da noch zu sagen?
In der Ruhe liegt die Kraft
So ist es auch nicht verwunderlich, dass die befragten Experten angesichts der aktuellen Situation auffällig ruhig reagieren. Sicher sei die Lage derzeit nicht einfach, und gewisse Unsicherheiten und Irritationen könne man unter den Marktteilnehmern durchaus feststellen. Doch insgesamt präsentiert sich der Bereich Wohnimmobilien recht stabil. Einziges echtes Manko scheint das Fehlen von Flächenpotentialen in der Stadt zu sein. Ein Beleg hierfür sind die Zahlen der Baufertigstellungen. 642 Wohnungen wurden 2021 errichtet. Im Jahr davor waren es fast doppelt so viele (1.224). Vermehrt zieht es die Rostocker daher ins Umland – wenn die Anbindung per S-Bahn und Bundesstraße stimmt. Nicht nur das Preisniveau ist hier mitunter noch etwas niedriger, auch Baufläche gebe es hier.
Beliebt sind zum Beispiel Orte wie Bad Doberan, Bentwisch oder Mönchhagen. Allerdings gibt es auch hier Grenzen. So sei die Entwicklung in der Peripherie zum großen Teil nur mit der Genehmigung der Stadt Rostock möglich gewesen, heißt es. Ein Schelm, der Arges dabei denkt …
Lagen und Preise
Besonders gefragt: die Näche zum Wasser
Verständlicherweise sind auch in der Hansestadt die Lagen am Wasser am beliebtesten. Besonders der Blick auf die Ostsee hat seinen Preis. Doch auch die Nähe zur Altstadt hat ihren Reiz
BEL 06/22