Hannover - eine unterschätzte Stadt
Maschsee, Herrenhäuser Gärten, Neues Rathaus – Niedersachsens Landeshauptstadt hat einige Highlights zu bieten. Auch auf dem Immobilienmarkt. Dennoch fliegt Hannover unter dem Radar. Warum eigentlich?
Fragt man in die Runde, welche deutsche Stadt in Sachen Image, Flair und internationaler Bedeutung weit vorne zu finden ist, wird der Name Hannover womöglich eher selten fallen. Ähnlich wie beim heimischen Fußball-Team „96“ spielt die Leinestadt hier eher im oberen Mittelfeld der zweiten Liga mit. Doch warum eigentlich? Klar, es gibt den Spruch „Nichts ist doofer als Hannover“, und ich darf das schreiben, weil ich in der Metropolregion groß geworden bin. Aber bei genauerer Betrachtung stimmt das gar nicht.
Da wären zum Beispiel die Granden der Stadt aus Vergangenheit und Gegenwart. Ganz im Ernst, in welcher Stadt lebten und wirkten schon ein Ex-Bundeskanzler (Gerhard Schröder), ein Ex-Bundespräsident (Christian Wulff), ein Universalgelehrter (Gottfried Wilhelm Leibnitz), ein Comedy- Star (Heinz Erhardt), ein Prinz (Ernst August von Hannover), diverse Schauspieler, Regisseure und Sportstars (von Kai Wiesinger bis Niclas Füllkrug) oder zwei weltberühmte Bands (Scorpions und Fury in the Slaughterhouse)? Prominenz, so weit das Auge reicht. Ist Hannover womöglich längst die heimliche Hauptstadt der Republik?
Immobilientechnisch unauffällig
Was den Wohnimmobilienmarkt an der Leine angeht, kann die Frage grundsätzlich verneint werden. Klar sind auch in der niedersächsischen Landeshauptstadt die Kaufpreise in den Jahren bis 2022 deutlich gestiegen. Doch eine echte Boomtown ist Hannover trotzdem nicht. Da half auch die Weltausstellung EXPO im Jahr 2000 nur wenig. Am Maschsee gehen die Uhren von jeher etwas langsamer als in München, Berlin oder Hamburg. Doch manchmal überholt einen die Entwicklung, passieren Dinge in fast unglaublicher Geschwindigkeit und ändern sich Situationen eben deutlich schneller, als man es von der Immobilienbranche gewohnt ist. Corona kann hier als bestes Beispiel dienen. Oder auch das, was in den vergangenen zwei Jahren ablief – seit unserem letzten Bericht über die Stadt an der Leine. Angefangen bei der rasanten Steigerung der Zinsen bis hin zu weltweiten Krisen und wirtschaftlichen Rezessionen.
Zwischen Konsolidierung und Rückgang
Nach den Steigerungen bis zum Jahr 2021 hat sich der Immobilienmarkt in Hannover auf dem Boden der Tatsachen wiedergefunden. So verzeichnete der Gutachterausschuss im vergangenen Jahr (bis Oktober) in der Region rund 3,124 Milliarden Euro Transaktionsvolumen. Im Jahr davor waren es noch 4,952 Milliarden Euro. Frei stehende Einfamilienhäuser lagen bei 525.000 Euro im Schnitt, etwa 15 Prozent unter dem Vorjahreswert, und die Quadratmeterpreise für gebrauchte Eigentumswohnungen betrugen 3.710 Euro, während ein Quadratmeter 2022 noch 3.830 Euro kosteten.
Dennoch ist Hannover für Anleger weiterhin interessant, da auch im Bereich der Wohnungsmieten Steigerungen zu verzeichnen sind. Auf den Punkt bringt es wohl der Immobilienmarktbericht 2023 der Wirtschaftsförderung Region Hannover: „Die Preise auf dem Markt für Wohnimmobilien sind in den letzten zwölf Monaten gesunken. Die Dynamik der letzten Jahre bei Mieten, Renditen und Kaufpreisen ist aktuell ausgesetzt, es ist eine mehr oder weniger starke Abkühlung von Teilen des Marktes zu erwarten“, heißt es dort.
Energie und Unsicherheit
Insgesamt ist auch der Immobilienmarkt an der Leine von Verunsicherung und Kaufzurückhaltung geprägt. „Darum gilt: Je besser und gründlicher ein Verkauf vorbereitet ist, desto besser und reibungsloser ist der Ablauf, auch bei einer schwierigen Marktsituation,“ erklärt ein Experte. Denn grundsätzlich sei der Wunsch nach der eigenen Immobilie unverändert groß. Nur gibt es des Öfteren unterschiedliche Herausforderungen, wie zum Beispiel die umfassende Vorbereitung der Finanzierung. Die Banken, das wird immer wieder berichtet, zeigen aktuell wenig Bereitschaft, gerade energetisch weniger gute Objekte zu finanzieren. Apropos Energie: Preislich abgestraft werden derzeit Immobilien (gerade Häuser), die energetisch nicht „State of the Art“ sind. Objekte mit Energieklasse F und schlechter müssen Kaufpreisreduzierungen im nicht unerheblichen zweistelligen Bereich hinnehmen. Der damit verbundene Vorteil: Käufer kommen mitunter wieder sehr günstig an ihr „Traumhaus“ – wenn sie es denn finanziert bekommen.
Gefragte Lagen
Das gilt insbesondere für die traditionell guten und gewachsenen Standorte der Leinestadt. Der lebendige Stadtteil Mitte, List mit der Nähe zum Stadtwald Eilenriede, das Zooviertel oder die Oststadt sind die gefragtesten Adressen, allerdings ist das Angebot hier geringer als in anderen Stadtteilen. Andere Spitzenlagen sind Teile von Kirchrode, das Heideviertel oder Waldhausen.
Seit einiger Zeit haben sich auch ein paar Newcomer herauskristallisiert sowie echte Alternativen zu den Toplagen. Hier ist vor allem Linden zu erwähnen. Die Mitte des früher wenig beachteten Stadtteils gehört nun zu den angesagten Quartieren der Stadt. Ebenso positiv entwickeln sich Nord- und Südstadt. Nicht zuletzt durch den Zuzug aus dem übrigen Bundesgebiet haben diese Adressen an Image zugelegt, was auch auf die Nähe zur Eilenriede zurückzuführen ist. Doch auch die gute Erreichbarkeit der City lässt diese Standorte inzwischen punkten.
Attraktives Umland
Vergleichbar mit anderen deutschen Metropolregionen haben die hohen Immobilienpreise in der Stadt viele Interessenten in die Peripherie oder ins Umland gelockt. Die gefragtesten Lagen in der Peripherie befinden sich dort, wo auch die Arbeit ist. Hierzu zählen vor allem im Norden Isernhagen, Großburgwedel, aber auch die Wedemark. Zunehmend positiv entwickelt sich der Standort Burgdorf – speziell Burgdorf- West ist gefragt.
Im Südwesten von Hannover, im Bereich Barsinghausen, haben sich – neben dem neuen Volkswagenwerk – verschiedene internationale Unternehmen angesiedelt.
BEL 05/24