Positive Stimmung in der Finanzmetropole
Nachfrage, Zinsen, Preise – der Markt in der Finanzmetropole normalisiert sich gerade wieder. Ob dieser Trend anhält, mag kaum ein Experte wirklich beurteilen
Die Erinnerung an das letztjährige Frankfurt Special war bei der Anreise noch absolut präsent: ein grau verhangener Himmel, frostige Temperaturen und Nieselregen. Selbiges galt im Februar 2023 auch für die Stimmung in der Branche. Nach den ersten drei Gesprächen kam unvermittelt der Gedanke, wieder abreisen zu wollen. Ein wenig erfreuliches Bild, dass die Experten am Main zeichneten.
Und jetzt das: Sonnenschein, frühlingshafte Temperaturen und eine deutlich bessere Stimmung – Frankfurt zeigte sich in den Tagen des BELLEVUE-Besuchs von seiner besten Seite. Allerdings ist das Ganze, um im jahreszeitlichen Bild zu bleiben, noch ein sehr zartes Pflänzchen, das hier den Kopf aus der Erde steckt. Zwar sind sich die Makler einig, dass die Entwicklung seit Ende des abgelaufenen Jahres durchaus wieder als positiv zu bezeichnen ist, doch es ist wohl ein recht fragiler Zustand. Zu viel ist in den letzten Monaten passiert, das massiv auf den Markt eingewirkt hat – vom Ukrainekrieg bis zur Zinsexplosion, von geplanter Sanierungspflicht bis zum regelrechten Stillstand beim Neubau. Es wird immer noch von schwierigen, herausfordernden, seltsamen oder anstrengenden Zeiten gesprochen. Eine Expertin bringt 2023 auf den Punkt: „Es war ein extrem emotionales Jahr, das großen Einsatz erfordert hat.“
Wie wird 2024?
Dass sich das laufende Jahr positiv(er) anlässt, bestätigen durch die Bank weg alle Makler. Sicher gebe es weiterhin viele Herausforderungen – zum Beispiel im Neubau sowie bei der weiterhin restriktiven Haltung der Banken –, doch es sei endlich wieder Bewegung im Markt. Vor allem wird von erheblich mehr Nachfrage berichtet. Das dürfte zum großen Teil der Zinssituation geschuldet sein, die sich seit einiger Zeit beruhigt hat. Denn gerade die Segmente, in denen die Finanzierung traditionell eine große Rolle spielt, waren von Unsicherheit und Zurückhaltung geprägt.
Ein weiterer Faktor ist die immer größere Bereitschaft der Eigentümer, sich den veränderten Vorgaben des Marktes anzupassen. „Der intelligente Verkäufer stellt sich jetzt dem Markt“, heißt es von Seiten der Experten. Jedoch sollten die Käufer nicht denken, dass sie mit „unsittlichen“ Angeboten zum Erfolg kommen können. Zwar sind die Eigentümer offenbar vernünftiger und oftmals verhandlungsbereiter als noch vor Jahresfrist, doch die gleiche Vernunft sollten auch potentielle Erwerber mitbringen. Eine Begegnung auf Augenhöhe sei für eine erfolgreiche Transaktion unbedingt erforderlich, heißt es. Außerdem gibt es – gerade im hochpreisigen Bereich, bei dem nur selten echter Verkaufsdruck herrscht – noch immer beratungsresistente Verkäufer, die ihre Immobilie zurückhalten.
Weitere Entwicklungen
Momentan findet sich der Markt, das ist ohne Zweifel erkennbar. Doch inwieweit auch die preisliche Talsohle erreicht ist, da gehen die Meinungen dann doch noch auseinander. Dies ist allerdings kein Problem, das Frankfurt exklusiv hat. Aktuell ist man in der Metropolregion auf dem Niveau von 2020/21 angekommen – mit einer eher stabilen als fallenden Tendenz, könnte man sagen. Doch wie stimmungsabhängig und volatil der Immobilienmarkt in diesen Zeiten ist, haben die vergangenen Monate gezeigt. Es sei sehr viel Psychologie im Markt, wird berichtet, und nicht wenige hätten den Glauben an bessere Zeiten in Deutschland längst verloren. Starke Worte, doch auch am Main hört man vermehrt von Verkäufern, die es ins Ausland zieht. Ein Trend, der sich wie ein roter Faden durch die letzten Städte-Specials zieht.
Das Warum ist schnell gefunden: zu viel Bürokratie und kaum Lösungen für anstehende Probleme im Bereich Sanierung oder Neubau. Der weltverbessernde Schlingerkurs der Regierung ist nicht nur einmal Thema. Es gebe einen unglaublichen Informationsbedarf am Markt, weil „viel Blödsinn erzählt wird“, berichtet ein Experte. Hier liegt jedoch auch eine große Chance, denn die qualitative Beratung und professionelle Betreuung ist in diesen Zeiten einfach essenziell.
Thema Energie
Der angesprochene „Blödsinn“ spiegelt sich nicht zuletzt auch im Bereich der Bestandsimmobilien und deren energetischer Bewertung wider. Dabei ist es wirklich widersinnig, dass man sich in einem Land, in dem sonst alles reglementiert wird, seinen Energieausweis online quasi selbst erstellen kann. Und das jetzt, da diese Daten für Kauf und Verkauf erstmals eine echte Rolle spielen. Aber ob nun Bedarfs- oder Verbrauchsausweis, vom qualifizierten Profi oder in Eigenregie erstellt – Fakt ist, dass Immobilien, die nicht in den Klassen A bis E rangieren, preislich richtiggehend abgestraft werden. Wer sein Haus zum akzeptablen Preis veräußern möchte, der muss dafür Sorge tragen, dass es gut dasteht. Ob das angesichts des immer geringer werdenden Angebots im Neubaubereich auch auf lange Sicht so bleibt, wird sich zeigen. In einigen Regionen wird bereits von steigenden Preisen im Segment der Bestandsimmobilien gesprochen.
Ein- und Zweifamilienhäuser: Dickes Minus
Bis 2022 stieg der Kaufpreis für Ein- oder Zweifamilienhäuser in Frankfurt um über elf Prozent pro Jahr. 2023 fielen die Preise deutlich
Bodenrichtwerte: Konsolidierung
Seit 2012 ist der Richtwert für Wohnbaugrundstücke in den Frankfurter Eigenheimgebieten um 134 Prozent gestiegen. Nun stagnieren die Werte
Neubau-ETW: Erstmals wieder rückläufig
2012 lag der Durchschnittspreis für eine Neubauwohnung bei 3.510 Euro/m2, 2022 bei 8.270 Euro/m2 – im vergangenen Jahr gingen die Preise zurück
Die Zukunft des Neubaus
Auch in Frankfurt bereitet der einstige Highflyer der Immobilienbranche große Sorgen. Aufgrund der gestiegenen Zinsen, der hohen Grundstücks- und gestiegenen Baukosten sowie der energetischen Vorgaben rechne sich Neubau oftmals nicht mehr, heißt es. Zudem herrsche insgesamt große Verunsicherung – nicht zuletzt auch gegenüber dem Entwickler. Die Pleiten der vergangenen Monate, die auch große Player betrafen, sind nicht spurlos an den Interessenten vorübergegangen.
Man könne im Neubau derzeit nur „auf Sicht fahren“, berichtet ein Bauträger, und müsse auf neue Lösungen hoffen. Es sei ein zähes Ringen, und wenn es Abschlüsse gebe, handele es sich eher um Häuser als um Wohnungen. Käufer sind jetzt vorrangig Selbstnutzer. Andere Marktteilnehmer nehmen fertig gestellte Objekte vorerst in den eigenen Bestand und vermieten die Einheiten. Da die Wohnungsmieten in jüngster Vergangenheit zum Teil stark gestiegen sind, ist dies sicher nicht der schlechteste Weg für die Projektentwickler. Dennoch bleibt unterm Strich Fakt: Deutschland hat europaweit die wenigsten Baugenehmigungen, aber die höchsten Anforderungen. Ein Schelm, der Arges dabei denkt ...
Frankfurts Toplagen
Zunächst muss man konstatieren, dass Westend, Nordend & Co. sich als verhältnismäßig krisensicher erwiesen haben. Zwar gab es auch hier leichte Preisrückgänge – sogar bei Häusern. Und bei Wohnungen werden diese sogar mit zehn bis 15 Prozent beziffert. Doch wie bringt es ein Experte so schön auf den Punkt: „Es ist noch reichlich Geld im Markt unterwegs. Nur eben nicht für die Traumvorstellungen einiger Verkäufer.“ Das klingt nicht nur nach neuem Realismus, sondern ist es auch. Wer es sich leisten kann, kauft jetzt. Dabei ist allerdings die Kompromissbereitschaft sehr niedrig. Schließlich gibt es selbst im Topsegment ein größeres Angebot als vor zwei, drei Jahren.
Es komme nun auch darauf an, neue Kunden zu generieren, die investieren wollen, und die Verkäufer für ehrliche und umsetzbare Preiseinschätzungen zu öffnen. Gute Preise lassen sich in den Spitzenadressen weiterhin erzielen, nur eben keine „überkandidelten“. Die Ausnahmen stellen einmal mehr Unikate und absolute Top-Immobilien ohne jeglichen Makel dar. Hier herrscht weitgehend eitel Sonnenschein – passend zum Wetter während der Frankfurt-Interviewrunde.
Frankfurt in Zahlen
Quadratmeterpreise, ausgezeichnete Maklerunternehmen, Lebensqualität – interessante Hintergrundinfos zur Mainmetropole
148 Centi-Millionäre sowie 14 Milliardäre leben in und um Frankfurt. Damit rangiert Mainhattan bundesweit auf Platz 1 und weltweit auf Platz 24. Dies geht aus dem „Centi Millionaire Report 2023“ hervor, einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft Henley & Partners. Berücksichtigt sind Personen mit „investierbarem Vermögen“ ab 100 Millionen Dollar liquider Mittel und Wohneigentum.
26.790 pro Quadratmeter betrug nach aktuellen Angaben des Gutachterausschusses Frankfurt am Main der höchste Preis, der im vergangenen Jahr für eine Eigentumswohnung bezahlt wurde. Bei besagter Immobilie handelte es sich um eine Neubauwohnung in einem neuen Wohnturm in zentraler Lage der Stadt. Grundlage waren die bislang ausgewerteten Kaufverträge des Jahres 2023.
100 Jahre alt wird der Frankfurter Flughafen in diesem Jahr. Am 2. Juli 1924 wurde die heutige Betreibergesellschaft Fraport AG als „Südwest-deutsche Luftverkehrs-AG“ von der Stadt unter Beteiligung von Frankfurter Kaufleuten und Unternehmen gegründet. Damals starteten die Maschinen vom stadtnahen Rebstockgelände.
6. Platz im weltweiten Vergleich - damit kann sich die Mainmetropole aktuell rühmen. Beim alljährlichen "Quality of Living City Ranking" des Beratungsunternehmens Mercer belegte Frankfurt diese Top-Ten-Platzierung. Das Unternehmen untersucht jedes Jahr die Lebensqualität für im Ausland tätige Angestellte und ihre Familien in 241 Städten. Unter den deutschen Städten landete Frankfurt noch vor München (Platz 7) und Düsseldorf (10).
3.910 Transaktionen wurden im vergangenen Jahr auf dem Immobilienmarkt Frankfurt registriert. Gegenüber 2021 (5.068 Transaktionen) bedeutete dies ein sattes Minus von 23 Prozent. Der Gesamtumsatz lag bei 3,3 Milliarden Euro – ebenfalls ein deutlicher Rückgang von 35,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Interessant: Der Einfamilienhausmarkt blieb 2023 fast stabil.
65 Immobilienfirmen aus der Metropolregion Rhein-Main wurden im Jahr 2024 mit dem begehrten BELLEVUE- Siegel „Best Property Agents“ ausgezeichnet. Mehr Infos zur Auszeichnung in diesem Heft auf Seite 172 und online unter www.bellevue.de/bpa
Die Nachfrage belebt sich - langsam
Innerstädtisch sind nur einige Standorte im Westen wirklich günstig, zentrale Lagen bleiben gefragt. Aktuell zeigen sich die Preise – zumindest bei vernünftig eingeschätzten Objekten – weitgehend stabil
BEL 03/24