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FOTO: stock.adobe.com/Katja Xenikis

Ganz ehrlich, was ist in Berlin schon normal? Konnte man diesen Begriff jemals auf die Bundeshauptstadt anwenden?Vor fast 80 Jahren in vier Besatzungszonen aufgeteilt und bis 1990 als „Insel“ in der damaligen DDR mit echtem Alleinstellungsmerkmal ausgezeichnet, war Berlin fortan arm, aber sexy. Wer alternativ und günstig leben oder auch einfach der Wehrpflicht entgehen wollte, den zog es in die einstige „Frontstadt“. Während sich die Exil-Schwaben den Bezirk Prenzlauer Berg zu eigen machten, zog es andere Neu-Berliner nach Charlottenburg, Zehlendorf oder auch nach Kreuzberg. Für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel gab es die passende Immobilie – ob nun zum Kauf oder doch meist zur Miete. Kein Wunder, dass sich kaum jemand um das Umland scherte – von der attraktiven Nachbarstadt Potsdam mal abgesehen. Doch dazu später mehr. Was folgte, war der künstliche Hype der Immobilienpreise im Zuge der Sonder-Afa. Und in der Folge der ebenso drastische Crash von Kaufpreisen und Zuzüglern. Normal war das jedenfalls nicht.

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BILDSCHÖN Die Textzeile von Peter Fox’ Lied „Schwarz zu Blau“ passt hier nicht. Angeblich sieht Berlin „nicht mal schön von Weitem aus“ | FOTO: stock.adobe.com/f11photo

Auf dem Weg zur Normalität? 

Nun, nachdem auch in Berlin die Preise erst drastisch stiegen und sich dadurch immer weniger Menschen die Stadt leisten konnten, in der Folge aber auch an der Spree die preislichen Rückschläge kräftig waren, soll sich die Hauptstadt auf dem Weg zur Normalität befinden. Wie heißt es so schön: Allein, mir fehlt der Glaube...

Der nüchterne Blick auf die Zahlen zeigt zumindest, das ein erster Schritt wohl tatsächlich gemacht ist. Zum Vergleich: 2023 war der Geldumsatz gemäß dem Bericht des Gutachterausschusses in Berlin um 29 Prozent gegenüber 2022 zurückgegangen. Bei den Kauffällen lag das Minus immerhin noch bei 19 Prozent. Da zeichnen die Halbjahreszahlen für das laufende Jahr 2024 doch schon ein wesentlich freundlicheres Bild. So sind die Transaktionen im Vorjahresvergleich um 16 Prozent gestiegen. „Das ist einfach mehr Kuchen, der unter den Maklern verteilt werden kann,“ bringt es ein Experte auf den Punkt. Dabei sind es aktuell insbesondere die Ein- und Zweifamilienhäuser, die vermehrt beurkundet werden. Allein im ersten Halbjahr waren es 1.150 Stück – gegenüber 947 im Jahr 2023. Aber die Wahrheit ist auch, dass diese Zahl den vorvergangenen Jahren hinterherhinkt. Doch ist nicht der Weg das Ziel?

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WAHRZEICHEN Als Symbol der Wiedervereinigung ist das Brandenburger Tor sowohl national als auch international das Wahrzeichen der Hauptstadt | FOTO: stock.adobe.com/Noppasinw

Der Ist-Zustand 

Aktuell präsentiert sich die Stimmung besser als noch 2023 – was jedoch auch nicht wirklich schwierig war. Das vergangene Jahr wird wohl überall als der Tiefpunkt angesehen. Ob sich besagte Stimmung sowie das wiedergewonnene Vertrauennach der Trump-Wahl (oder vielleicht auch gerade deswegen) weiter verbessern werden, lassen wir einmal dahingestellt. Auch die Auswirkungen der chaotischen Zustände um die deutsche Regierung auf den Markt mag wohl keiner genau beurteilen. 

Tatsache ist jedoch, dass die Nachfrage zugenommen hat. Das dürfte vor allem an der Beruhigung in der Zinslandschaft liegen. Und dabei wird nicht nur nach Mietobjekten gesucht, sondern auch nach Kaufimmobilien. Jedenfalls nach energetisch besser ausgestatteten Wohnungen und Häusern. Die Energieklassen E und schlechter würden preislich derzeit „abgestraft“. Doch das ist nicht nur in Berlin so. Der viel zitierte „Habeck’sche Heizhammer“ (auch GEG) genannt, hat Spuren hinterlassen, obwohl er nicht einmal ansatzweise so umgesetzt werden muss wie befürchtet. Was auch in die Analyse des Ist-Zustandes einfließen muss: Die Kaufpreise sind zwar keine 100 Prozent höher als vor zehn Jahren, aber immer noch rund 70 bis 80 Prozent.

Wer also 2015 gekauft hat, macht bei einem Verkauf sicher keinen Verlust, sondern nur etwas weniger Gewinn. Das sollte sich jeder potenzielle Verkäufer vor Augen führen. Klar ist auch, dass es sich nach den Boomzeiten anders anfühlt.

Wohin geht die Reise? 

Aufgrund des fehlenden Neubaus sei das Angebot in Berlin so eng, dass die Preise im Bestand gar nicht großartig weiter fallen könnten, wird berichtet. Da die Zinsen jedoch weiterhin recht hoch sind – im Vergleich zu den Boomzeiten –, könnte diese Diskrepanz auch weiterhin für lediglich verhaltene Umsätze sorgen. Schließlich war es immer so, dass, wenn die Zinsen niedrig waren, die Preise entsprechend hoch rangierten. Waren die Zinsen hoch, gab es niedrige Preise. Diese „Waage“ passt aktuell noch nicht ganz, doch nach Meinung vieler Experten sei man auf dem Weg dorthin. Da war er wieder, der Weg...

Hier ist dann der qualifizierte Makler gefragt, dem Verkäufer entsprechend zu skizzieren, warum seine Immobilie marktgerecht (und damit womöglich etwas niedriger, als es seiner Vorstellung entspräche) eingewertet werden muss. Denn auf der Käuferseite stehen zumeist Menschen, für die nicht der Himmel, sondern die Finanzierung der Bank die Grenze darstellt. Eine echte und oftmals beratungsintensive Herausforderung für die Immobilienexperten der Hauptstadt.

Jetzt erst recht 

Eines ist klar: Mit chaotischen Zuständen und Krisen kennt man sich aus in der Haupstadt. Und dass diese Zustände auch ihren Reiz haben, ist hinlänglich bekannt. Warum sollte sonst Friedrichshain in der internationalen Presse als einer der coolsten Stadtteile der Welt gefeiert werden? Ob man die Stadt nun mag oder nicht, sie ist die einzige echte Metropole Deutschlands und offensichtlich „the place to be“. Und letztlich kommt zwischen Havel und Spree nach wie vor jeder auf seine Kosten. Nur sind diese eben inzwischen deutlich höher als früher. Im Bereich der Immobilien gilt das übrigens flächendeckend – seien es nun Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Charlottenburg und Zehlendorf oder Randlagen mit hoher Lebensqualität, wie Frohnau und Köpenick-Friedrichshagen. An interessanten Alternativen mangelt es Berlin sicher nicht.

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BRÜCKENSCHLAG Die Glienicker Brücke führt von Berlin nach Potsdam. Sie ist einer der geschichtsträchtigsten Orte in der Region, da hier früher Spione ausgetauscht wurden | FOTO: stock.adobe.com/powell83

Seitenblick auf Potsdam 

Der Klassenprimus der Metropolregion Berlin befindet sich allerdings auf der anderen Havelseite – jenseits der berühmten Glienicker Brücke. Wie drückte es bereits im vergangenen Jahr ein Experte aus: „Potsdam ist dort, wo Berlin am schönsten ist.“ Eigentlich sagt dieser Satz alles über die brandenburgische Landeshauptstadt aus. Potsdam ist eine Welt für sich. Ein lebendiges Museum mit jeder Menge historischer Sehenswürdigkeiten und idyllischen Wasserlagen. Dass dieses Umfeld seine Liebhaber, aber eben auch seinen Preis hat, liegt auf der Hand. Und auch wenn es selbst hier, auf der „Insel der Glückseligen“, in der jüngsten Vergangenheit Rückgänge in Sachen Nachfrage und Preise gab, ändert das nichts an der Tatsache, dass Potsdam zu den gefragtesten und werthaltigsten Adressen in Deutschland zählt.

BERLIN IN ZAHLEN

Quadratmeterpreise, ausgezeichnete Maklerunternehmen, Bauzahlen – interessante Hintergrundinfos zur Hauptstadt

14,6 Übernachtungen registrierte das Statistikamt für das erste Halbjahr 2024 in der Hauptstadt – eine Steigerung von 3,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Insgesamt besuchten in den ersten sechs Monaten knapp über sechs Millionen Gäste Berlin, was ein Plus von 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutete.

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VIER Millionen und noch mehr Einwohner erwartet das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) für Berlin im Jahr 2045. Nach dieser Prognose werden in zehn Jahren 4,1423 Millionen Menschen in der Hauptstadt leben. Das wäre ein Plus gegenüber dem Ist-Zustand von rund 12,6 Prozent. Die Behörde geht in ihrer Prognose bis 2045 von einer Gesamtzuwanderung von 9,2 Millionen Menschen nach Deutschland aus. | FOTO: stock.adobe.com/JFL Photography

28.000 pro Quadr atmeter betrug nach Angaben des Gutachterausschusses Berlin der höchste Preis, der für eine Eigentumswohnung im laufenden Jahr bezahlt wurde. Bei der Immobilie handelte es sich um eine Neubauwohnung mit rund 140 Quadratmetern Wohnfläch zwischen Oranienburger Straße, Friedrichstraße und Johannisstraße – also wohl im Projekt „Am Tacheles“. Grundlage waren die bis zum 31. Oktober ausgewerteten Kaufverträge.

17.563 Kauffälle wurden dem Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin im vergangenen Jahr übermittelt. Im Jahr 2022 waren es noch 21.708 – ein weiteres Minus von rund 19 Prozent. Auch das Transaktionsvolumen (Geldumsatz) lag mit 12,4 Milliarden Euro 29 Prozent unter dem des Vorjahres (2022: 17,49 Milliarden Euro).

15.965 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg fertiggestellt – ein leider zu erwartendes Minus von 7,7 Prozent gegenüber 2022, als 17.310 Wohnungen gebaut wurden. Somit lagen die Baufertigstellungsmeldungen um 967 Wohnungen über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. 14.633 Wohnungen enstanden in Neubauten. Die meisten Fertigstellungen meldeten die Bezirke Lichtenberg und Treptow-Köpenick.

48 Immobilienfirmen aus der Metropolregion Berlin wurden im Jahr 2024 mit dem begehrten BELLEVUE- Siegel „Best Property Agents“ ausgezeichnet. Mehr Infos zur Auszeichnung im Heft BELLEVUE 01/25 auf Seite 124 und hier online

„Die Politik muss den Markt deregulieren, Baustandards und Bürokratie absenken. Mehr Marktfreiheit und weniger Regulierung.“

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Dirk Wohltorf

IVD-Präsident, Wohltorf Immobilien

„Das Angebot vernünftiger Altbauten ist knapp. Da die Preise nicht sichtbar erholt sind, fehlt den Eigentümern oft die Verkaufsbereitschaft.“

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Matthias Brandner

CMB Architecture

„Der Immobilienverkauf ist beratungsintensiver geworden – sowohl den Kaufinteressenten als auch den Verkäufern gegenüber.“

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Vivian Hermel

Living in Berlin – my pink Immobilien

„Die Nachfrage in attraktiven Lagen wächst weiter. Sehr begehrt sind gut angebundene Stadtrandgebiete mit hoher Lebensqualität.“

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Andreas Gräfenstein

VON POLL IMMOBILIEN B-Köpenick

„Trotz rückläufiger Immobilienpreise hat sich der Standort Potsdam aber als sehr stabil hervorgehoben.“

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Alexander Althammer

Thamm & Partner

„Vermögende Privatinvestoren wollen Teile ihrer Liquiditätsreserven renditestark, aber sicher platzieren.“

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Lutz Hegner

Hegner & Möller


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Sven Heinen

ist Redaktionsleiter bei BELLEVUE.
Tel.: 040-593 625 040

BEL 01/25