„Raus aus der Komfortzone"
Die Immobilienbranche ist in einer „Korrekturphase“ angelangt, und es muss wieder mehr geleistet werden. Jeanette Kuhnert, Vizepräsidentin des Immobilienverbandes Deutschland (IVD), über die neue Branchen-Ära
Seit Juni 2023 ist die geschäftsführende Gesellschafterin des Gewerbe- und Investmentmaklers Wittlinger & Co, Jeanette Kuhnert, auch als Interessenvertreterin für die Immobilienbranche aktiv. Das neue IVD-Präsidium, bestehend aus dem Präsidenten Dirk Wohltorf sowie den Vizepräsidenten Markus Jugan, Axel Quester, Robert Vesely und Jeanette Kuhnert, wurde damals einstimmig an die Verbandsspitze gewählt.
Jeanette Kuhnert spricht mit BELLEVUE über die aktuellen Herausforderungen – und die sich daraus ergebenden Chancen.
BELLEVUE: Wie fühlt es sich an, wenn man just auf dem Höhepunkt der größten Immobilienkrise seit eineinhalb Jahrzehnten ins IVD-Präsidium gewählt wird?
Jeanette Kuhnert: Seit 2008 ging es nur bergauf. Jetzt haben wir erstmals wieder eine Korrekturphase, in der wir raus aus der Komfortzone müssen. Als Verband treffen uns da die gleichen wirtschaftlichen Herausforderungen wie die ganze Branche.
Sie sprechen damit an, dass jetzt wieder mehr Leistung für den Kunden zu erbringen ist, um weiter Erfolg zu haben?
Definitiv ist das so. Und das schließt auch ein Mehr an Arbeit mit ein, auch wenn das viele Verfechter einer Work-Life-Balance nicht gerne hören. Für die Kunden ist das jedenfalls ein Vorteil.
Wir hatten schon mal so hohe Zinsen wie jetzt. Warum ist es diesmal so schmerzhaft?
Die Geschwindigkeit der Zinserhöhung und die Erhöhung der Baukosten sorgen einfach dafür, dass das Verhältnis zu den Kaufpreisen nicht mehr stimmt. Die Regulierungswut tut da ihr übriges.
Tatsächlich ist der Wohnbau besonders in Deutschland massiv eingebrochen. Haben Sie den Eindruck, dass die Politik da endlich aufgewacht ist und gegensteuert?
Nein, eher das Gegenteil registriere ich da. Die Politik schüttet fast noch Öl ins Feuer und wundert sich, warum es weiter lodert. In ganz Europa wird überreguliert, aber wir setzen immer noch einen drauf. Wenn jetzt keine Wohnungen mehr gebaut werden können, weil es schlichtweg zu teuer ist, hilft das aber niemanden.
Als neue Vizepräsidentin des IVD-Bundesverbandes wenden Sie sich vor allem an die jungen Mitglieder. Wie wollen Sie diese zeitgemäß erreichen?
Ich bin als Quereinsteigerin in Bezug auf Verbandspolitik freier. Außerdem ist es wichtig, dass es jetzt jemanden gibt, der überregional den Hut aufhat.
Warum ist das für Sie als IVD-Vizepräsidentin ein vorrangiges Anliegen?
Damit junge Immobilienmenschen die positiven Verbandserfahrungen sammeln können, die ich sammeln durfte, sind neue Ansätze gefordert. Dann klappt es auch mit dem Branchennachwuchs.
Was ist für junge Leute so anders?
Was uns betrifft, bedarf es einer anderen Vernetzung und Ansprache. Traditionelle Stammtische bei den Regionalverbänden sind da zu wenig.
Hat die Immobilienbranche ein Nachwuchsproblem?
Nicht nur die Immobilienbranche. Junge Menschen müssen erst an das Wirtschaftsleben herangeführt werden. Wir setzen bei den Digital Natives viel voraus, dabei wissen sie zum Beispiel teilweise gar nicht, wie man eine korrekte E-Mail schreibt.
Welche Vorteile bietet der IVD jungen Menschen für ihr Berufsleben?
Vernetzung im Internet allein reicht nicht aus. Wir bieten eine Real-Life-Plattform, die Kontakte, Weiterbildung und rechtliche Absicherung vereint.
Mehr über das Unternehmen Wittlinger & Co erfahren Sie im Internet unter www.wittlinger-co.de
BEL 05/24